Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
Bestürzt von den tragischen Geschehnissen auf dem Berliner Weihnachtsmarkt möchten die Groβherzogin und ich Ihnen im Namen der luxemburgischen Bevölkerung unsere tiefe Betroffenheit und unser Mitgefühl ausdrücken.
Unsere Gedanken gelten den Opfern und den vielen Verletzten mit ihren Angehörigen.
In dieser Stunde der Trauer eint uns unsere Solidarität für den Erhalt unserer gemeinsamen Werte.
Henri,
Großherzog von Luxemburg
Patrimonium-Verlag, Aachen 2015
Hardcover, 154 Seiten
ISBN 9783864170331, Preis: 14,80 EUR
Der deutsch-jüdische Schriftsteller Kurt Tucholsky prägte seinerzeit den wegweisenden Ausspruch: „Nichts ist schwieriger und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!“.
Zu diesen tapferen und im guten Sinne streitbaren Persönlichkeiten mit Rückgrat und Ausdauer zählt besonders ein Gelehrter und Politiker, der sich von früher Jugend bis ins hohe Alter unbeirrbar für Christus und seine Kirche eingesetzt und dabei keine notwendige Auseinandersetzung mit den Feinden des Höchsten – besonders den Nationalsozialisten und den Kommunisten gescheut hat: Plinio Corrêa de Oliveira aus Brasilien, geboren am 13.12.1908 in der Hauptstadt São Paulo; verstorben mit 87 Jahren am 3. Oktober 1995, dem Tag der Deutschen Einheit.
Mathias von Gersdorff bezeichnet seine Biographie über diesen unermüdlichen Laienapostel recht bescheiden als „skizzenhafte Beschreibung“, weil er sich in seinem 154 Seiten umfassenden Buch auf das Wesentliche konzentriert und eine „Einführung“ in Leben und Wirken dieses katholischen Schriftstellers vorlegt, die sich flüssig liest und zugleich sehr faktenorientiert ist. Der italienische Historiker und Publizist Prof. Roberto de Mattei würdigt Plinio Corrêa de Oliveira im Vorwort dieser Biographie zu Recht als „tiefgründigen Denker“ und „Mann der Tat“, wobei der aus einem aristokratischen Elternhaus stammende Katholik zugleich die „Umgangsformen eines Kavaliers der alten Schule“ besaß. Diese „Ausnahmepersönlichkeit“, schreibt R. de Mattei weiter, stellte sich in „selbstloser Hingabe in den Dienst der katholischen Kirche“. Sein leidenschaftlicher Einsatz galt der Glaubensverbreitung sowie einer umfassenden Verteidigung der christlichen Kultur und Zivilisation. Der Laienmissionar wusste, dass die Kirche sich nicht auf die „Sakristei“ beschränken darf, dass Gottes Gebote und die Botschaft Christi auch im öffentlichen Leben, in Staat und Gesellschaft wirksam werden müssen.
Dabei war ihm klar, dass äußerer Aktivismus allein letztlich im Sande verläuft, dass der Einsatz für Gott und Kirche getragen sein muss von der Glaubwürdigkeit eines christlichen Lebenswandels, von eifrigen Bemühen um die Nachfolge Christi kurz: von der „Ausübung der Tugend“. Richtschnur sind dabei die Gebote des Ewigen und das natürliche Sittengesetz bzw. das Naturrecht. In diesem Sinne äußerte sich Prof. Corrêa de Oliveira folgendermaßen:
„In dem Maße, in dem der Mensch im Gnadenleben fortschreitet, schafft er auch durch die Ausübung der Tugend eine Kultur, eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung, in völliger Übereinstimmung mit den grundlegenden, unvergänglichen Prinzipien des Naturrechts und des göttlichen Gesetzes. Wir bezeichnen diese als christliche Zivilisation.“
Der Biograph Mathias von Gersdorff kannte Plinio C. de Oliveira jahrelang persönlich – und er hat ihn vor allem von 1990 bis 1995 häufig getroffen und viel mit ihm gesprochen. Seine persönliche Wertschätzung für den ebenso kämpferischen wie menschenfreundlichen Professor fließt in das Buch ein, ohne dass es freilich allzu subjektiv gefärbt wäre. Dem Autor gelingt es vorzüglich, bei aller Sympathie vor allem durch eine sachorientierte Darstellung und ruhige, gelassene Sprache zu beeindrucken.
- von Gersdorff ist im christlichen Spektrum vor allem bekannt durch seine medienethischen Veröffentlichungen und seine Publikationen für Ehe und Familie sowie seine kritische Analyse der „sexuellen Revolution“ der 68er, wobei sein Schwerpunkt auf der Bekämpfung der Frühsexualisierung von Kindern liegt. In diesem Sinne leitet er in Frankfurt die Aktion „Kinder in Gefahr“ der DVCK (Deutschen Vereinigung für eine christliche Kultur e.V.). Diese wiederum ist verbunden mit der „Gesellschaft zum Schutz von Familie, Tradition und Privateigentum“, die Prof. Corrêa de Oliveira 1960 in Brasilien gründete, wobei im Laufe der Zeit Tochtergesellschaften in vielen Ländern der Welt entstanden sind.
Widerstand gegen jeden Totalitarismus
Das wichtigste Buch des katholischen Gelehrten trägt den Titel „Revolution und Gegenrevolution“. Unter „Gegenrevolution“ ist der friedliche, aber entschiedene Einsatz katholischer Christen gegen die Feinde der Kirche zu verstehen, vor allem gegen den gottlosen Totalitarismus, wie er sich politisch vor allem im Nationalsozialismus und im Kommunismus zeigte. Für jeden rechts staatlich denkenden Menschen sollte der „antitotalitäre Konsens“ selbstverständlich sein, doch viele Zeitgenossen erliegen der Faszination politischer Ideologien. Dabei steht auch die „68er Ideologie“ unter neomarxistischem Einfluss, ebenso jener Linkskatholizismus, wie er sich in Brasilien und allgemein in Lateinamerika unter dem Dach einer „Theologie der Befreiung“ (fehl)entwickelte.
Auf geschickte Weise beginnt der Autor seine „biographische Skizze“ nicht in üblicher Manier mit Kindheit und Jugend des Porträtierten, sondern mit einem politisch entscheidenden Höhepunkt im Leben und Wirken von Prof. Corrêa de Oliveira:
Unter dem Titel „São Paulo im Juni 1990“ berichtet er von dessen Unterschriftenaktion für die Unabhängigkeit Litauens, die weltweit über 5 Millionen Unterzeichner erhielt, was internationale Beachtung fand und zu einem Eintrag ins „Guinness-Buch der Rekorde“ führte. Das katholisch geprägte Litauen wurde 1940 von Sowjetrussland erobert. 1941 besetzte die deutsche Wehrmacht das Land, 1944 wurde es von Stalin zurückerobert. Dem roten Schrecken folgte der braune und dann wieder der rote Terror. Im März 1990 – die innerdeutsche Mauer war bereits seit fünf Monate gefallen – versuchte Litauen, sich von der sowjetischen Herrschaft zu befreien.
Doch der noch kommunistische Staatspräsident Gorbatschow, der viel von Demokratie und Freiheit, „Glasnost“ und „Perestroika“ sprach, bevorzugte in diesem Falle die geballte Macht der Panzer. Als er den Unabhängigkeitsdrang der Litauer im Januar 1991 mit Gewalt beendete (was zu 14 Toten und tausenden Verletzten führte), empörte sich die Weltöffentlichkeit, so dass Gorbatschow die Panzer zurückrief. Danach kam es auch zu Unabhängigkeitserklärungen der anderen baltischen Länder (Lettland, Estland), was zum weiteren Zerfall des Vielvölker-Imperiums Sowjetunion führte und· damit das Ende – genauer: die Implosion – des Ostblock-Kommunismus einläutete.
Die Aufsehen erregende Solidaritäts-Aktion des brasilianischen Publizisten de Oliveira zugunsten der Freiheit Litauens war nur deshalb möglich, weil er in den Jahrzehnten zuvor bereits eine wirksame katholische Laienbewegung aufbaute und über vielfältige internationale Kontakte verfügte. Auch dieser Erfolg war ihm nicht in den Schoß gefallen, sondern die Frucht großer Beharrlichkeit und „Frustrationstoleranz“. Dabei war ihm zeitlebens die religiöse und charakterliche Prägung wichtig, die er von seiner Mutter Lucilia Ribeiro dos Santos erhielt.
Sowohl sie wie ihr Mann stammten aus einer alten aristokratischen Familie, die monarchistisch gesinnt war und die im Kaiserreich (das schon 20 Jahre vor der Geburt Plinios gestürzt wurde) führende Stellungen einnahm. Sein Großonkel war Präsident des Ministerrats und bereitete 1888 während der Regentschaft der Prinzessin Isabella das Gesetz zur Abschaffung der Sklaverei vor.
Deutscher Einfluss und „französische Erziehung“
Plinios Vater João Paulo Corrêa de Oliveira lebte zwar sittsam, war aber religiös eher gleichgültig, doch ließ er seiner Frau volle Freiheit in der Erziehung der bei den Kinder Plinio und Rosenda. Deren tiefe Frömmigkeit war durchaus nicht selbstverständlich für die brasilianische Oberschicht, die stark vom atheistischen französischen Positivismus und einem materialistischen Fortschrittsdenken geprägt war. Ein Teil der Verwandtschaft hing antikatholischen Ideen an; einige waren sogar, wie der Biograph berichtet, „Mitglied einer Freimaurerloge, um ihre Karrierechancen aufzubessern“ (S. 20). Dabei beschränkt sich dieser kritische Befund nicht auf den weiteren Familienkreis. Mathias von Gersdorff schreibt weiter, diese nicht-katholische, liberale Gruppe sei „innerhalb der Aristokratie zahlenmäßig die stärkere und außerdem wesentlichen besser organisiert“ gewesen.
Seine klar katholische Ausrichtung und Charakterstärke hatte Plinio Corrêa de Oliveira aber nicht allein seiner Mutter zu verdanken, sondern auch der „deutschen Erziehung“ der Gouvernannte Mathilde Heldmann aus Regensburg. Dank ihr lernte der Knabe nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die Überwindung jener Trägheit, „die vielen Brasilianern eigen ist“ (S. 20).
Die Mutter wünschte, dass der Junge und seine Schwester erst mit deutschem Einfluss aufwachsen und dann eine „Erziehung im französischen Stil“ erhalten sollten, was dazu rührte, dass Plinio in einer elitäre Jesuitenschule kam, in der jedoch „alles andere als eine katholische Gesinnung herrschte“ (S. 21). Offenbar waren die Geistlichen nicht in der Lage, die Sprösslinge, welche vielfach aus der positivistisch geprägten Oberschicht stammten, sittlich ausreichend zu disziplinieren und religiös zu formen. Für Plinio war es aber ein Trost, dass es im Jesuitenkolleg wenigstens eine Kapelle mit dem allerheiligsten Altarsakrament gab, wo er sich Kraft für den aufreibenden Alltag unter so vielen Andersdenkenden holen konnte. Diese „innere Abhärtung“ prägte ihn in seinem späteren aktiven Wirken als katholischer Organisator, Politiker, Journalist und Buchautor.
Wie der Verfasser ausführt, fand der atheistische Positivismus besonders in Frankreich starke Verbreitung. Da Brasilien unter französischem Einfluss stand, war vor allem die Elite des Landes dafür empfänglich, auch „aufgrund der starken Präsenz der Freimaurerei“ (S. 24). Matthias von Gersdorff schreibt weiter:
„Das positivistische Motto ,Ordem e Progresso‘ (Ordnung und Fortschritt) wurde sogar in die Flagge Brasiliens eingefügt. Der Positivismus gewann insbesondere in den führenden gesellschaftlichen Schichten an Einfluss und konnte so große ideologische, politische und wirtschaftliche Macht entfalten. Dies führte zu einem großen gesellschaftlichen und politischen Widerspruch: Das fast ausschließlich katholische Land wurde von einer atheistischen Oberschicht regiert.“
Dies galt ähnlich auch unter späteren politischen Verhältnissen, etwa in linkssozialistischen Republiken. Eine unhaltbar Situation, die von katholischer Seite nicht gleichgültig hingenommen werden durfte. Gottlob gab es klarsichtige und couragierte Streiter für die katholischen Anliegen und Ideale: „Gegen diesen Zustand begann sich um 1916 eine Reaktion zu bilden, die schließlich in einem von Plinio Corrêa de Oliveira angeführten politischen und gegenrevolutionären Katholizismus Form annehmen würde“ (S. 24).

Von dem jahrzehntelangen, unermüdlichen Einsatz diese kämpferisch aktiven Gelehrten für eine christliche Kultur und Zivilisation, von seinem unbeugsamen Eintreten für die katholische Glaubens- und Sittenlehre gegen alle Widerstände (auch aus innerkirchlichen Kreisen), seiner Ablehnung linkssozialistischer Ideologien und Experimente einschließlich einer marxistisch beeinflussten „Theologie der Befreiung“ berichtet diese fundierte Biographie, die zugleich viele lehrreiche Informationen über die neuere Geschichte Brasiliens (besonders im 19. und 20. Jahrhundert) enthält, aber auch aufschlussreiche Kenntnisse über die Situation der katholischen Kirche in diesem bevölkerungsreichen Land vermittelt.
Prof. Corrêa de Oliveira war zweifellos ein „Mann der Tat“, auch als Politiker, Gründer kirchentreuer Organisationen und Präsident der „Katholischen Aktion“; er war aber auch ein Mensch des Gebets, ein tiefgläubiger Katholik mit einer starken eucharistischen Frömmigkeit und innigen Verehrung der Gottesmutter, die nicht zuletzt von der „Marianischen Kongregation“ geprägt war. Kardinal Walter Brandmüller schreibt daher zu Recht in einem Brief an den Biographen: „Ihre Schrift macht auch dem Leser zugänglich, mit welcher Gesinnung Corrêa de Oliveira ans Werk ging: Treu dem katholischen Lehramt uni stets im Vertrauen in die Vorsehung Gottes und in die immerwährende Hilfe der Jungfrau Maria.“ – Kardinal Raymond L. Burke äußert sich in einem Glückwunschschreiben an Mathias von Gersdorff ähnlich positiv über diesen „großen brasilianischen katholischen Laien“, weil dieser „ein Vorbild für uns in diesen schwierigen Zeiten im Leben der Kirche“ sei.
Professor Plinio Corrêa de Oliveira sowie sein klarsichtiges Denken und konsequentes Handeln sollten nicht in Vergessenheit geraten. Dieser „Kreuzritter des 20. Jahrhunderts“ bewährte sich als hervorragender Laienapostel und als Diener des Ewigen.


Felizitas Küble
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felizitas. kueble@web.de
in „Theologisches“ Nov./Dez. 2015 S. 580-584
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Die Ordnung der Dinge, um deren Zerstörung es tatsächlich geht, ist die der mittelalterlichen Christenheit. Nun war aber diese Christenheit nicht irgendeine mögliche Ordnung, so wie viele andere Ordnungen möglich wären. Sie war vielmehr die, in die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten, eingebettete Verwirklichung der einzig wahren Ordnung unter den Menschen, der christlichen Kultur.

In seiner Enzyklika Immortale Dei beschreibt Leo XIII. die mittelalterliche Christenheit so: „Es war eine Zeit, da gab die Lehre des Evangeliums die Orientierung in der Staatsregierung; Gesetze, In stitutionen, Volkssitten, alle Stände und Funktionen im Staat hatten ihren hohen und segensreichen Einfluß erfahren; da war der Religion Jesu Christi in der Offentlichkeit jener Platz gesichert, der ihrer Würde gebührt, da blühte sie überall unter dem wohlwollenden Schutz der rechtmäßigen Obrigkeit und Verwaltung, da waren Staat und Kirche in glücklicher Eintracht und durch gegenseitige Freundesdienste verbunden. Diese Staatsordnung trug über alles Erwarten reiche Früchte, deren Erinnerung noch lebt und von denen unzählige Geschichtswerke Zeugnis geben, das durch keine Ränke der Feinde verfälscht oder verdunkelt werden kann 15.

Die gegenwärtige Revolution kennt natürlich auch ihre Vorläufer und Vorbilder. So waren zum Beispiel Arius…
Was somit seit dem 15. Jahrhundert zerstört wurde und in unseren Tagen praktisch nicht mehr vorhanden ist, das ist die Ordnung von Menschen und Dingen gemäß der Lehren der Kirche, die Lehrmeisterin der Offenbarung und des Naturgesetzes. Diese Anordnung ist das Bild der Ordnung schlechthin. Was man jedoch einführen möchte, ist das exakte Gegenteil hiervon, nämlich die Revolution an sich.
Die gegenwärtige Revolution kennt natürlich auch ihre Vorläufer und Vorbilder. So waren zum Beispiel Arius und Mohammed Vorbilder Luthers. Zu verschiedensten Zeiten hat es auch Utopisten gegeben, die sich in ihren Träumen Tage ausgemalt hatten, die denen der Revolution durchaus ähnlich sehen. Schließlich haben Völker oder Gruppen von Menschen verschiedentlich versucht, einen den Chimären der Revolution ähnlichen Zustand der Dinge zu schaffen.
Alle diese Träume aber, alle diese Vorbilder sind wenig oder nichts im Vergleich zu der Revolution, wie wir sie erleben. Ihr Radikalismus, ihre umfassender Charakter, ihre Zugkraft geht so tief und so weit, daß es in der Geschichte nichts Vergleichbares gibt. Ja, man kann sogar sagen, daß sich manch bedächtiger Geist ehrlich fragen muß, ob wir nicht schon die Zeit des Antichrist erreicht haben. Tatsächlich scheint diese nach den Worten des Heiligen Vaters Johannes XXIII. nicht mehr fern zu sein: „Außerdem rufen wir euch auf, in dieser schrecklichen Stunde, in der der Geist des Bösen mit allen Mitteln das Reich Gottes zu zerstören sucht, dieses mit aller Energie zu verteidigen, wenn anders ihr eure Stadt vor viel größerem Ruin bewahren wollt als dem, den vor fünfzig Jahren das Erdbeben eurer Stadt zugefügt hat. Wieviel schwieriger wird es dann sein, die

Ja, man kann sogar sagen, daß sich manch bedächtiger Geist ehrlich fragen muß, ob wir nicht schon die Zeit des Antichrist erreicht haben.
Seelen wieder aufzurichten, wenn sie erst einmal von der Kirche getrennt sind oder als Sklaven den falschen Ideologien unserer Zeit unterworfen wurden“ 16.

15) Enzyklika Immortale Dei vom 1.11. 1885. Utz-von Galen. XXI, 32
16) Rundfunkbotschaft vom 28.12.1958 an die Bevölkerung von Messina zum 50. Jahrestag des Erdbebens. das diese Stadt zerstört hatte; in L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in französischer Sprache. vom 23.1.1959.
Aus der Radioansprache Papst Pius’ XII. zu Weihnachten 1942:
„Menschliches Gemeinschaftswesen besagt innere Einheit, schließt jedoch Verschiedenheiten nicht aus, die von Natur und Wirklichkeit gefordert werden. Wo man an Gott als der obersten Norm alles Menschlichen festhält, findet die Gleichheit wie die Verschiedenheit der Menschen den gebührenden Platz in der unbedingt gültigen Ordnung des Seins und der Werte, und damit auch der Sittenordnung. Wo aber diese Grundfeste erschüttert wird, eröffnet sich zwischen den einzelnen Kulturgebieten eine gefährliche Zusammenhanglosigkeit, zeigt sich ein unsicheres Schwanken der Grenzlinien und Wertmaßstäbe …“[1]

[1] Zur Neuordnung im Staats- und Völkerleben –Ansprachen Papst Pius XII., Kemper, Waibstadt bei Heidelberg, 1946, S.75-76.
Aus der Ansprache Papst Pius’ XII. an die Arbeiter der FIAT-Werke vom 31.10.1948:

„Die Kirche verspricht nicht jene absolute Gleichheit, die andere proklamieren, weil sie weiß, daß das Zusammenleben der Menschen immer wieder und notwendigerweise eine ganze Stufenleiter von Unterschieden in den physischen und den geistigen Eigenschaften, den inneren Anlagen und Neigungen, den Tätigkeiten und den Verantwortlichkeiten hervorbringt.

Aber zu gleicher Zeit sichert sie die volle Gleichheit in der menschlichen Würde zu ebenso wie in dem Herzen Dessen, der alle zu sich ruft, die mühselig und beladen sind …“[1]

[1] Pius XII. sagt – Nach den vatikanischen Archiven zusammengestellt von Michael Chinigo, Fischer, Frankfurt am Main, 1958, S. 176-177.
Papst Pius XII. lehrt in seiner Rede vom 4.6.1953 an eine Gruppe von Gläubigen der Pfarrei von Marsciano, Perugia:
„Es ist nötig, daβ Ihr Euch wie wirkliche Brüder fühlt. Es handelt sich dabei nicht um ein einfaches Sinnbild. Ihr seid ja wahrhafte Kinder Gottes und somit wirkliche Brüder.
Nun, Brüder werden nicht alle gleich geboren und bleiben auch nicht alle gleich: die einen sind stark, die anderen schwach, einige sind intelligent, andere untüchtig, vielleicht ist einer sogar abnormal und es kann auch geschehen, daß einer unwürdig wird. Deshalb ist es unvermeidlich, daß in der gleichen Familie gewisse Unterschiede, materieller oder geistiger Art und moralische Verschiedenheiten auftreten. …
Die absolute Gleichheit aller zu fordern, wäre das Gleiche, wie von den verschiedenen Gliedern ein und desselben Lebewesens identische Funktionen zu fordern“.[1]

[1] Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, Tipografa Poliglotta Vaticana, Bd. XV, S. 195.
Mit übervollen Herzen wenden Wir Uns mit väterlichen Grüßen an die Mitglieder des Adels und des Patriziates von Rom, die getreu einer alten Tradition sich um Uns versammelt haben, um Uns ihre Glückwünsche zum Jahresbeginn zu überbringen, Glückwünsche voller kindlicher Ergebenheit, die Euer erlauchter und beredter Wortführer zum Ausdruck gebracht hat. Jedes Jahr, eines nach dem anderen, geht in die Geschichte ein und gibt an das nächste sein Erbe ab, für das es verantwortlich ist. Jenes, das vor kurzem zu Ende gegangen ist, das Heilige Jahr 1950, wird als eines der bedeutungsvollsten in moralischer und vor allem übernatürlicher Hinsicht, unvergeßlich sein. Über den Ablauf dieses Jahres, werden die Annalen Eurer Familien die Wichtigsten Ereignisse vermerken, strahlende Lichter auf den Wegen Eurer Kinder und Enkel, um ihnen den Weg in die Zukunft zu erleuchten.
Aber könnten diese Annalen etwa wie ein versiegeltes Buch sein? Oder könnten sie etwa nur Erinnerungen einer bedeutungslosen Vergangenheit enthalten? Nein! Sie müssen vielmehr Botschaften der verflossenen an die zukünftige Generationen sein.
Die Feierlichkeiten des Heiligen Jahres gingen in Rom nicht nur wie ein Schauspiel zu Ende. Sie waren vielmehr wie ein Programm für ein wachsendes, gereinigtes und geheiligteres Leben, das durch Göttliche Gnade fruchtbar wird. Dieses muß weiterwirken und reich werden durch den ununterbrochenen Beitrag von Gedanken und Gefühlen, Problemlösungen und Handlungen Eurer Vorfahren, die sie Euch übermittelt haben. So wie auch Ihr diese Beispiele an die weitergeben werdet, die nach Euch kommen.

‘Heute, mehr wie je zuvor, seid Ihr berufen, eine Elite zu sein, nicht nur durch Blut und Abstammung, sondern mehr noch auf ‘Grund Eurer Werke und Eures Einsatzes, der schöpferischen Handlungen zum Wohle der ganzen menschlichen Gemeinschaft.’
Ferdinand el Santo, König von Kastilien und León.
Der Sturm der neuen Zeiten zieht die Traditionen der Vergangenheit in seinen Strudel hinab. Dabei aber zeigt sich, was dazu bestimmt ist, wie welke Blätter abzufallen und was, im Gegensatz dazu, auf Grund seiner innewohnenden Lebendigkeit bleibt und immer fester wird.
Adelige und Patrizier die – um es einmal so zu sagen – gelähmt sind durch die Erinnerung an vergangene Zeiten, gehen einem unaufhaltsamen Verfall entgegen.
Heute, mehr wie je zuvor, seid Ihr berufen, eine Elite zu sein, nicht nur durch Blut und Abstammung, sondern mehr noch auf Grund Eurer Werke und Eures Einsatzes, der schöpferischen Handlungen zum Wohle der ganzen menschlichen Gemeinschaft. Dieser Verpflichtung kann sich niemand ungestraft entziehen. Sie ist nicht nur eine menschliche und staatsbürgerliche Pflicht, sondern ein heiliges Glaubensgebot, ererbt von Euren Vätern, das Ihr, wie sie, vollständig und ungeschmälert, an Eure Nachfahren weiterzugeben habt. Verbannt deshalb aus Eurer Mitte Niedergeschlagenheit und Kleinmut, die Mutlosigkeit angesichts der Neuerungen, die vieles untergehen lassen, was frühere Zeiten geschaffen haben. Verbannt die Kleinmütigkeit schwerwiegenden Ereignissen gegenüber, welche die Neuerungen unserer Tage begleiten!
Römer sein, heißt stark sein, im Handeln, aber auch im Dulden!
Christ zu sein, heißt Prüfungen und Leiden anzunehmen, Pflichten und Notwendigkeiten der Zeiten zu übernehmen mit Mut, Kraft und Gelassenheit des Geistes, die aus den Quellen der ewigen Hoffnungen das Gegengewicht gegen die menschlichen Nöte beziehen.
Menschlich großartig ist das stolze Wort des Horaz: „Si fractus illabatur orbis, impavidum ferient ruinae“ [Und wenn die ganze Welt in Trümmer fällt, treffen die Ruinen noch einen Helden] (Oden III, 3).

‘Viel schöner aber noch, vertrauensvoller und hinreißender ist der Siegesruf auf christlichen Lippen, der aus einem glaubensvollem Herzen kommt: „Non confundar in aeternum“ [In Ewigkeit werde ich nicht zuschanden!]’
Schlacht bei Las Navas de Tolosa.
Wir bitten den Schöpfer alles Guten für Euch, daß Er Euch unerschrockenen Mut und die Göttliche Gabe der unerschütterlichen Zuversicht aus dem Glauben geben möge und erteilen Euch von ganzem Herzen, geliebte Söhne und Töchter, Euren Familien und allen, die Euch lieb und wert sind, hier und in der Ferne, Gesunden und Kranken und für Eure geheiligten Bestrebungen und Unternehmungen, Unseren Apostolischen Segen.[1]

[1] (Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, Tipografia Poliglotta Vaticana, 11.1.1951, S. 423-424.)
B. Sinnlichkeit und Liberalismus
Neben den Hochmut als Erzeuger jeder Art von Egalitarismus ist die Sinnlichkeit im weitesten Wortsinne als Ursache des Liberalismus zu stellen. In diesen trostlosen Tiefen laufen die Fäden der beiden wichtigsten metaphysischen Prinzipien der Revolution zusammen, nämlich der Gleichheit und der Freiheit, die sich ansonsten jedoch unter so vielen Gesichtspunkten widersprechen.
a. Die Hierarchie in der Seele: Gott, der aller Schöpfung, der sichtbaren wie der unsichtbaren, eine hierarchische Prägung gab, schloß auch die menschliche Seele in dieses Schema ein. Die Ver nunft hat den Willen zu führen und dieser die Gefühle. Als Folge der Erbsünde kommt es im Innern des Menschen zu unaufhörlichen Reibungen zwischen den sinnlichen Trieben und dem von der Vernunft geleiteten Willen: „Ich sehe ein Gesetz von anderer Art in meinen Gliedern, das dem Gesetz meiner Vernunft widerstreitet’31.
Der Wille aber, der, gleich einem König, sich in die undankbare Lage versetzt sieht, Untergebene zu führen, die andauernd gegen ihn aufbegehren, verfügt über Mittel, die es ihm erlauben, immer siegreich zu bleiben … sofern er sich nicht der Gnade Gottes widersetzt 32.
b. Der Egalitarismus in der Seele: Der revolutionäre Prozeß, obwohl um generelle Gleichmachung bemüht, ist häufig nichts anderes als die Ursupation der Führungsrolle durch Elemente, denen es zukommt, zu gehorchen. Auf die Ebene der Psyche übertragen, führt dies zu einer beklagenswerten Tyrannei ungezügelter Leidenschaften über einen kraftlosen, bankrotten Willen und eine getrübte Vernunft. Vor allem aber wird eine glühende Sinnlichkeit die Herrschaft über alle Gefühle des Anstandes und der Scham an sich reißen.
Wenn die Revolution die vollkommene Freiheit als das höchste metaphysische Prinzip hinstellt, so tut sie dies nur, um damit den freien Lauf der schlimmsten Leidenschaften und der ärgsten Irrtümer zu rechtfertigen.
c. Egalitarismus und Liberalismus: Die Umkehrung, von der wir gesprochen haben, das heißt das Recht, all das zu denken, zu fühlen und zu tun, was die zügellosen Leidenschaften verlangen, stellt das Wesen des Liberalismus dar. Dies kommt deutlich in den übersteigerten Formen der liberalen Lehre zum Ausdruck. Wenn man sich diese einmal näher anschaut, stellt man sogleich fest, daß dem Liberalismus wenig an der Freiheit zum Guten gelegen ist. Ihn interessiert ganz allein die Freiheit zum Bösen. Ist er erst einmal an der Macht, so nimmt er dem Guten ohne weiteres, ja sogar mit Vergnügen möglichst jede Freiheit weg. Die Freiheit zum Bösen aber genießt seinen Schutz, sie wird auf vielerlei Weise gefördert und hochgehalten. Hierin zeigt sich der Gegensatz zur katholischen Lehre, die dem Guten alle Unterstützung und Freiheit zukommen läßt, das Böse aber möglichst einzuschränken versucht.
Nun, gerade diese Freiheit zum Bösen ist es, die der Mensch als „Revolutionär’ in seinem Innern braucht, wenn er der Tyrannei der Leidenschaften über seine Vernunft und seinen Willen zustimmt.
Somit ist der Liberalismus eine Frucht desselben Baumes, der auch den Egalitarismus getragen hat.
Der Hochmut, der ja den Haß gegen jede Art von Autorität zeugt 33, führt übrigens zu einer eindeutig liberalen Haltung und ist deshalb als ein aktiver Faktor des Liberalismus anzusehen. Als jedoch die Revolution merkte, daß die Freiheit, hat sie erst einmal die von ihren Fähigkeiten und ihrem Fleiß her ungleichen Menschen frei gemacht, zur Ungleichheit führt, beschloß sie jene aus lauter Haß gegen letztere zu opfern. Damit ging sie in die sozialistische Phase über. Doch auch diese Phase ist nur eine vorübergehende Etappe. Am Ende hofft die Revolution einen Zustand zu erreichen, in dem vollkommene Freiheit und völlige Gleichheit nebeneinander bestehen werden.
So gesehen, ist die sozialistische Bewegung historisch nichts anderes als eine Verschärfung der liberalen Bewegung. Was einen echten Liberalen dazu bewegt, den Sozialismus zu akzeptieren, ist gerade die Tatsache, daß dieser zwar auf tyrannische Weise tausend gute, oder doch unschuldige Dinge verbietet, sonst aber methodisch die Befriedigung der übelsten und heftigsten Leidenschaften wie Neid, Faulheit und Unzucht begünstigt, wenn auch manchmal unter dem Schein der Strenge. Andererseits erkennt der Liberale, daß die Stärkung der Autorität im sozialistischen Regime gemäß der inneren Logik des Systems nur ein Mittel ist, um am Ende zu der heißersehnten Anarchie zu gelangen.

Andy Unemployded von Suizide Queenz beim 825. Hamburger Hafengeburtstag 2014. Foto von Frank Schwichtenberg.
Die Zusammenstöße zwischen einer bestimmten Art von naiven oder zurückgebliebenen Liberalen und den Sozialisten sind daher nichts als oberflächliche Streitigkeiten im Verlaufe des revolutionären Prozesses, unbedeutende Auseinandersetzungen, die keineswegs imstande sind, die tiefere Logik der Revolution und ihren unerbittlichen Marsch auf ein Ziel hin zu stören, das bei genauerem Betrachten gleichzeitig sozialistisch und liberal ist.
d. Die Rock and Roll-Generation: Der Revolutionsprozeß, der sich, wie oben beschrieben, in den Seelen der Menschen abspielt, hat bei den jüngeren Generationen, vor allem aber unter den heutigen Jugendlichen, die sich vom Rock and Roll in den Bann ziehen lassen, eine von der Spontaneität der Elementarreaktionen geprägte Geisteshaltung hervorgerufen, die keine Kontrolle durch die Vernunft und keine effektive Beteiligung des Willens mehr kennt. Phantasien und „Erlebnisse’ sind ihnen wichtiger als die methodische Analyse der Wirklichkeit. Dies alles ist zum großen Teil das Ergebnis einer Pädagogik, in der Logik und wahre Willensbildung kaum noch eine Rolle spielen.
e. Egalitarismus, Liberalismus und Anarchismus: Wie wir in den vorausgegangenen Punkten (a. bis d.) gesehen haben, weckt das Aufwallen ungezügelter Leidenschaften einerseits den Haß gegen jede Art von Einschränkung und Gesetz, andererseits aber auch den Haß gegen jede Art von Ungleichheit. So führt diese Gärung zur utopischen Konzeption des marxistischen „Anarchismus’, wonach eine entwickeltere Menschheit in einer klassenlosen Gesellschaft ohne Regierung in vollkommener Ordnung und völliger Freiheit leben könne, ohne daß es deshalb zu Ungleichheiten kommen müsse. Man sieht also, daß es hier gleichzeitig um das liberalste und gleichmacherischste Ideal geht, das man sich vorstellen kann.

Clara Zetkin mit Rosa Luxemburg im Jahr 1910. Die deutsche Sozialistin Clara Josephine Zetkin war aktiv en der revolutionär-marxistischen Fraktion und sie der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).
Tatsächlich ist die anarchische Utopie des Marxismus ein Zustand, in dem der Mensch einen so hohen Grad an Fortschritt erreicht haben soll, daß er sich in einer Gesellschaft ohne Staat und Regierung frei entwickeln kann.
In dieser Gesellschaft, die zwar ohne Regierung, aber in vollkommener Ordnung leben werde, gebe es eine gut entwickelte wirtschaftliche Produktion und der Unterschied zwischen geistiger und körperlicher Arbeit werde überwunden sein. Ein nicht näher definierter Auswahlprozeß werde die Leitung der Wirtschaft den Fähigsten in die Hände legen, ohne daß sich daraus eine Klassenbildung ergeben werde.
Dies aber seien die einzigen, unbedeutenden Überbleibsel der Ungleichheit. Da diese anarchische kommunistische Gesellschaft jedoch noch nicht das Ende der Geschichte bedeutet, kann man durchaus annehmen, daß auch diese Überbleibsel im Laufe der weiteren Evolution noch abgeschafft werden.
Revolution und Gegenrevolution, Plinio Corrêa de Oliveira – Erster Teil, VII. KAPITEL, 3-B.
31) Röm. 7, 23.
32) Vgl. Röm. 7, 25.
33) Vgl. o. Abschnitt A.
Aus der Ansprache Papst Leo XIII. an das Patriziat und an den römischen Adel vom 21. Januar 1897:
„Wir sind glücklich, Euch nach einem Jahr wieder zu sehen, an dieser gleichen Stelle, verbrüdert durch die Gleichheit Eurer Gedanken und der Zuneigung, die Euch ehrt. Unsere Liebe kann und darf kein Ansehen der Person kennen, aber sie kann auch nicht deshalb kritisiert werden, wenn sie sich Euer besonders erfreut, gerade auf Grund des gesellschaftlichen Standes, der Euch zugewiesen wurde. Diese Stellung scheint zufälliger Art zu sein, in Wahrheit aber ist sie eine wohltätige Entscheidung des Himmels. Wie könnte man der Auszeichnung durch edle Herkunft besondere Wertschätzung verweigern, wenn der Göttliche Erlöser selbst sie hochgehalten hat? Wohl ist es wahr, daß Er während seiner Pilgerschaft Armut angenommen hat, und der Reichtum nicht sein Weggefährte war. Aber Er hat doch für Seine Geburt ein königliches Geschlecht gewählt.

Wir erinnern Euch daran, geliebte Söhne, nicht um überheblichem Stolz zu schmeicheln, sondern um Euch zu Taten, die Eurer Klasse würdig sind, anzuspornen. Jeder Mensch und jede Klasse von Einzelmenschen haben eine Funktion und ihren besonderen Wert: aus dem ordentlichen Zusammenleben aller, entspringt die Harmonie der menschlichen Gemeinschaft. Trotzdem kann nicht bestritten werden, daß in dem öffentlichen und privaten Leben der Blutsadel eine besondere Kraft darstellt, ebenso wie Eigentum und Talent. Dieser Adel, widerspräche er den natürlichen Gesetzen, wäre sicher nicht, wie es seit jeher war, einer der mäßigenden Kräfte im menschlichen Zusammenleben gewesen. Deshalb ist es auch, zieht man die Vergangenheit in Betracht, sicherlich nicht unlogisch, abzuleiten, daß – wie auch die Zeiten sich ändern mögen – der Besitz eines adeligen Namens nie seine Wirkung verfehlt, wenn sein Träger imstande ist, ihn mit Würde zu tragen“. [1]

[1]Leonis XIII Pontificis Maximii Acta, Ex Typographia Vaticana, Romae,1898, Band XV II, S.357-358.

‘Ihr habt Euch heute um Uns versammelt, zu Beginn des Jahres, das die Mitte des 20. Jahrhunderts bildet, des Jubeljahres, das mit der Öffnung der Heiligen Pforte beginnt.’
Die heilige Pforte wird vom Papst zu Beginn des heiligen Jahres mit drei symbolischen Hammerschlägen geöffnet. Papst Pius XII und die Porta Santa.
Wenn Wir, geliebte Söhne und Töchter, in Übereinstimmung mit dem Beispiel Unserer Vorgänger, Uns angewöhnt haben, Euch zum Beginn des Neuen Jahres zu empfangen, um Eure Glückwünsche entgegenzunehmen und zu erwidern, werden Wir dazu – fern allen Überlegungen oder menschlicher Vorliebe – durch Gründe der Ehre und Treue bewogen. Wir grüßen in Euch die Nachfahren und Vertreter der Familien, die sich ehemals durch ihre Dienste für den Heiligen Stuhl und den Stellvertreter Christi ausgezeichnet haben und dem Papst treu geblieben sind auch dann, wenn sie sich dadurch Beschimpfungen und Verfolgungen ausgesetzt haben. Ohne Zweifel kann sich, im Laufe der Zeit, die soziale Ordnung und ihr Mittelpunkt verschieben. Die öffentlichen Ämter, die einst Eurer Klasse vorbehalten waren, könnten jetzt nach dem Gleichheitsprinzip zugeteilt und versehen werden. Und doch kann selbst der moderne Mensch Euch, wenn er ehrlich und gerecht sein will, Verständnis und Anerkennung nicht verweigern. Beweise des verdienten Gedenkens, die als Ansporn für die Zukunft dienen sollen.

Der Sehnsucht nach Versöhnung und Frieden unter den Menschen, die der Krieg und soziale Kämpfe soweit entzweit haben.
Ihr habt Euch heute um Uns versammelt, zu Beginn des Jahres, das die Mitte des 20. Jahrhunderts bildet, des Jubeljahres, das mit der Öffnung der Heiligen Pforte beginnt. Die religiöse Zeremonie der drei Hammerschläge auf die Mitte der Pforte, hat an sich schon symbolische Bedeutung. Sie ist ein Symbol der allumfassenden Vergebung. Wie kann man also den lebendigen Eindruck erklären, den diese Zeremonie nicht nur unter den Kindern der Kirche, die den tiefen Sinn verstehen können, erweckt, sondern auch bei denen, die ferne stehen, und die scheinbar nur für das empfänglich sind, was sie berühren können, oder sich messen und beziffern läßt?

Die besondere Kraft des Segens…in die gesamte Menschheit ausstrahlen soll, wird zum großen Teil von der Mitwirkung abhängen, welche die Katholiken vor allem durch Gebet und Buße leisten.
Linzer Dom Buntglasfenster vor Kaisers Franz Joseph des österreichischen betend vor einer Unsere Dame.
Müssen Wir das vielleicht als Vorahnung und Erwartung des neuen halben Jahrhunderts nehmen, weniger belastet durch Bitterkeit und Enttäuschungen? Als Symptom eines ansteigenden Bedürfnisses der Reinigung und Wiedergutmachung? Der Sehnsucht nach Versöhnung und Frieden unter den Menschen, die der Krieg und soziale Kämpfe soweit entzweit haben? Wie könnten Wir dann, in demütigem christlichen Vertrauen in diesem so glücklichen Beginn des Jubeljahres, den Fingerzeig Gottes übersehen?

Euch selbst, geliebte Söhne und Töchter, werden Gelegenheiten dazu nicht fehlen, den anderen voranzugehen und sie durch Eure guten Beispiele nachzuziehen…
Der Mut des General Rajewski von Mykola Samokysh.
Die besondere Kraft des Segens, den das Heilige Jahr in die gesamte Menschheit ausstrahlen soll, wird zum großen Teil von der Mitwirkung abhängen, welche die Katholiken vor allem durch Gebet und Buße leisten. Was das betrifft, haben die Gläubigen Roms dabei besondere Pflichten und Verantwortung. Ihre Art sich zu verhalten und ihr Lebensstil werden in diesem Jahr ganz besonders auch von der weltweiten Kirche beobachtet werden, der Kirche, die durch die Menge der Pilger vertreten ist, die aus allen Teilen der Welt in die Heilige Stadt ziehen werden. Euch selbst, geliebte Söhne und Töchter, werden Gelegenheiten dazu nicht fehlen, den anderen voranzugehen und sie durch Eure guten Beispiele nachzuziehen: Beispiele des inbrünstigen Gebetes, einfacher christlicher Lebensart, des Verzichtes auf Bequemlichkeit und Genuß. Beispiele, echter Bußfertigkeit, herzlicher Gastfreundschaft und der gewissenhaften Erfüllung der Liebesdienste zu Gunsten der Einfachen, Leidenden und Armen. Beispiele, des unerschrockenen Einsatzes für die Sache Gottes.

…des unerschrockenen Einsatzes für die Sache Gottes.
Judith mit dem Haupt des Holofernes, Sankt Théodore Guérin Shrine, Terra Haute, Indiana, USA.
Die Klasse, der Ihr angehört, bringt Euch außerdem auch leichter und häufiger in Kontakt mit bedeutenden Persönlichkeiten anderer Länder. Trachtet mit Fleiß danach, bei solchen Gelegenheiten die Annäherung zwischen den Menschen und Völkern zu fördern. Möge die Welt am Ende des Heiligen Jahres gelassener erscheinen, in Ruhe und brüderlicher Einigkeit!
Mit diesen Wünschen erteilen Wir, von ganzem Herzen, Euch und Euren Familien, besonders denen in der Feme und den Kranken, Unseren väterlichen, Apostolischen Segen.[1]

[1] Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, Tipografia Poliglotta Vaticana, 12.1.1950, S. 357-355.