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Pius? XII ? Ansprache vom 5. Januar 1941

Eine Quelle inniger und väterlich Freude für Unser Herz, geliebte Söhne und Töchter, Eure willkommene Schar zu sehen, die Uns am Beginn des Jahres umgibt. Eines Jahres, mit nicht weniger furchterregenden Aussichten, als es das eben vergangene war. Ihr habt Euch versammelt, um Uns, über Euren hervorragenden Wortführer, kindlichherzliche Glückwünsche zu übermitteln. Diese Glückwünsche, in ergebener und doch so hochherziger Form vorgetragen, verleihen Eurer einmütigen und übereinstimmenden Anwesenheit vor Uns hohen Wert und den Ausdruck einer Zuneigung, die Uns besonders willkommen ist.

Im Patriziat und dem römischen Adel erkennen und lieben Wir eine Schar von Söhnen und Töchtern, die auf Ihr Treueverhältnis zur Kirche und zum Heiligen Vater stolz sind.

Adoration_assisiEin Verhältnis, vererbt durch die Vorfahren, deren Liebe zum Stellvertreter Christi aus den tiefsten Wurzeln des Glaubens erwachsen ist und weder durch den Ablauf der Zeit, noch auf Grund der, von Menschen und Zeitumständen abhängigen Zufälligkeiten des Lebens nachgelassen hat. In Eurer Mitte fühlen Wir uns noch mehr als Römer, auf Grund gemeinsamer Lebensgewohnheiten und der Luft, die wir geatmet haben und noch immer atmen. Unter dem gleichen Himmel und dem gleichen Sonnenschein lebend, an den gleichen Ufern des Tiber, wo auch Unsere Wiege stand, auf der gleichen Erde, die bis in den letzten Winkel heilig ist und aus der Rom für seine Kinder den Schutz einer Ewigkeit, die bis an den Himmel reicht, immer auf’s neue schöpft.

Es ist wohl wahr, daß Christus, unser Herr, es vorgezogen hat, zum Troste der Armen, auch als Armer auf die Welt zu kommen und in der Familie eines einfachen Arbeiters aufzuwachsen. Es ist aber ebenso war, daß Er durch die Umstände seiner Geburt das vornehmste und edelste Geschlecht Israels, das Haus David, ausgezeichnet hat.

Aus diesen Grunde und getreu dem Geiste Dessen, dessen Stellvertreter sie sind, haben die Päpste das Patriziat und den Adel von Rom immer hochgeschätzt, deren Gefühl unwandelbarer Sympathie für den Heiligen Stuhl den wertvollsten Teil des Erbes darstellt, welches sie von den Vorfahren übernommen und an ihre Kinder weitergegeben haben.

Das Erbe ist eine großartige und geheimnisvolle Sache. Es bedeutet, daß in einem Geschlecht und über Generationen hinweg, ein reicher Schatz materieller und geistiger Güter weitergegeben wird. Daß das gleiche äußere Erscheinungsbild und die gleiche moralische Haltung vom Vater auf den Sohn übergeht. Jedoch ist es möglich, daß die Tradition, die – über Jahrhunderte hinweg – die Mitglieder eines Geschlechtes verbunden hat, eben dieses Erbe, wie Wir gesagt haben, durch den Einfluß materieller Theorien entstellt werden kann. Man kann, man muß es sogar, diese sosehr bedeutsame Tatsache in ihrem ganzen Umfang menschlicher und übernatürlicher Wahrheiten bedenken.

Sicher kann man es nicht leugnen, daß bei der Weitergabe vererbbarer Eigenschaften materielle Vorgänge mitspielen. Diese Tatsache erstaunlich zu finden, hieße die intime Verbindung zwischen unserer Seele und dem Körper zu vergessen. Ebenso, daß sogar hochgeistige Tätigkeiten weitgehend von unserem körperlichen Temperament beeinflußt werden. Deswegen weist die christliche Morallehre die Eltern auf die große Verantwortung hin, die sie in dieser Beziehung haben.

KellsFol200rGeneolgyOfChristDas wertvollste aber ist das geistige Erbe. Dieses wird nicht sosehr über die geheimnisvollen Verbindungswege materieller Schöpfung weitergegeben, als vielmehr durch den dauernden Einfluß einer ausgezeichneten, familiären Umgebung. Entscheidend für das Ergebnis ist eine langsame und gründliche seelische Entwicklung in der Umgebung eines Vaterhauses, das reich an geistigen, moralischen und vor allem, christlichen Tradition ist. Wichtig ist auch der gegenseitige Einfluß derer, die unter dem gleichen Dache wohnen, ein Einfluß, dessen wohltätige Wirkung weit über die Kinderjahre und Jugendzeit hinausgeht und bis an das Ende eines langen Lebens reicht. Auf diesem Wege entwickeln sich auserwählte Geister, die in sich selbst die Schätze eines wertvollen Erbes mit ihren eigenen Vorzügen und Lebenserfahrungen zu verbinden wissen.

Das ist das, über alle Maßen, wertvolle Erbe, welches, erleuchtet durch einen festen Glauben, belebt und erfrischt durch dauerndes und treues Leben im Geiste Christi und durch die Erfüllung seiner Forderungen, die Seelen Eurer Kinder erheben, vervollkommnen und bereichern wird.

Wie jedes wertvolle Erbe, erfordert auch dieses die Erfüllung strenger Pflichten. Sie sind umso strenger, je reicher das Erbe ist. In erster Linie sind es zwei Verpflichtungen:

1) die Pflicht, diese Schätze nicht zu verschwenden, sie unbeschädigt weiterzugeben an die, die nach uns kommen und sie, wenn möglich, noch zu vermehren. Das heißt im besonderen, der Verführung zu widerstehen, in diesen Gaben nichts weiter zu sehen als ein Mittel dazu, um ein leichteres, angenehmeres, vornehmeres und erfolgreicheres Leben zu führen;

2) die Verpflichtung, diese Schätze nicht nur für sich selbst zu behalten, sondern auch den von der Vorsehung weniger reich bedachten Menschen abzugeben und so durch sie umfangreiche Vorteile zu gewähren.

Geliebte Söhne und Töchter, die edlen Charakterzüge der Wohltätigkeit und edler Tugenden habt Ihr von Euren Vorfahren geerbt. Von ihrem Edelmut legen die Denkmale und Paläste, die Hospize und Asyle und die Spitäler Roms Zeugnis ab. Ihre Namen und das Andenken an sie sprechen zu uns über ihre beglückende und fürsorgliche Güte, den Unglücklichen und Hilfsbedürftigen gegenüber.

663px-Maria_Nikolaevna_with_her_childrenWir wissen sehr wohl, daß das Patriziat und der römische Adel es niemals – solange es die Möglichkeiten jedes Einzelnen erlaubten – am rühmenswerten Eifer, Gutes zu tun, haben fehlen lassen. In dieser so schmerzlichen Stunde aber, da der Himmel von Unruhe und Sorgen verdunkelt ist, werden diese Edlen mehr als je zuvor in sich den Antrieb zu tätiger Nächstenliebe verspüren, der dazu anspornt, die schon bisher erworbenen Verdienste bei der Bekämpfung des menschlichen Elendes zu vermehren. Dies, solange Ihr ein ernstes und genügsames Leben führt, das jede Leichtfertigkeit oder frivole Vergnügungen ausschließt, die für ein nobles Herz, für Anbetracht von soviel menschlichem Leiden, undenkbar sind. Unzählige Möglichkeiten, edel zu handeln wird Euch das neue Jahr bieten, nicht nur im Kreise Eurer Familien, sondern auch außerhalb! Wie viel neue Einsatzmöglichkeiten für Eure Hilfsbereitschaft und den Willen, Gutes zu tun! Wie viele im Verborgenen vergossene Tränen gilt es zu trocknen! Wie viele Leidenden zu trösten! Wie viel körperliche und seelische Not zu lindern!

Was Uns das eben begonnene Jahr bringen wird, ist Gottes Geheimnis. Geheimnis Gottes, der weise und fürsorglich die Wege der Kirche und des Menschengeschlechtes zu jenem Ende führt, an dem Seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit siegen werden. Es ist aber Unsere Sehnsucht, Unser Wunsch für die Zukunft und darum beten Wir, daß der Welt ein

dauernder, gerechter Friede in Ruhe und Ordnung geschenkt werde. Ein Frieden, der alle Völker und Nationen beglücken möge und lachende Gesichter überall wieder zurückbringt. Ein Frieden, der die dankbaren Herzen den höchsten Lobgesang für unseren Gott des Friedens anstimmen läßt, den Wir in der Krippe zu Bethlehem anbeten.

In diesen Unseren Wunsch, geliebte Söhne und Töchter, schließen Wir die Hoffnung ein, daß dieses Jahr nicht unglücklich, sondern für Euch alle, glückbringend sein möge. Für Euch, über deren Anwesenheit hier Wir uns freuen, und die Uns ein Bild aller Altersstufen geben und die, unter Gottes Schutz stehend, durch ihren Einsatz im privaten und öffentlichen Leben, für Ihr Handeln höchstes Lob verdienen. Für die ehrwürdigen Alten, Bewahrer nobler familiärer Traditionen, kluge und erfahrene Wegweiser für die Jüngeren, für Väter und Mütter, die für ihre Söhne und Töchter Beispiel und Meister der Tugenden sind. Für die Jugend, die sauber, gesund und fleißig, in Gottesfurcht heranwachsend, die Hoffnung ihrer Familien und des geliebten Vaterlandes sein möge. Für die Kleinen, die mit der Zukunft ihrer Pläne träumen, bei den Spielen ihrer Kindheit. Für Euch alle, die Ihr der Eintracht und des Glückes im Schoße Eurer Familie teilhaftig seid, bieten Wir unsere väterlichen und herzlichen Glückwünsche dar. Für ein Glück, das den Wünschen von jedem und jeder von Euch entspricht, wobei Ihr dessen eingedenk sein sollt, daß jeder Unserer Wünsche von Gott beurteilt und danach gewertet wird, wie sie am besten unserem Heile dienen. Dabei wiegt im allgemeinen schwerer, was Gott Uns zugestehen will, als das, was Wir uns selber wünschen.

Das ist der Inhalt Unseres Gebetes, das Wir, am Beginn dieses Jahres zu Gott, unseren Herrn, erheben. Zum Beginn eines Jahres, hinter dessen undurchsichtigen Schleiern Gottes Vorsehung das Universum ebenso liebevoll regiert, lenkt und führt, wie die kleine Welt der Menschen. Wir erbitten für Euch den Reichtum der Gnaden Gottes, für alle und für jeden einzelnen von Euch, die Ihr Uns alle lieb und wert seid und für die, die Ihr in Euren Gedanken und Herzen bewahrt. Euch allen gewähren Wir Unseren väterlichen, Apostolischen Segen.[1]

 

[1] (Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santità Pio XII, Tipografia Poliglotta Vaticana, 5.1.1941, S. 363-366.)

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Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Pius’ XII. an das Patriziat und an den Adel von Rom von Plinio Corrêa de Oliveira

 

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