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Pius? XII – Ansprache vom 8. Januar 1940

Ein zweifaches Geschenk haben Patriziat und Adel von Rom Uns an der Schwelle des neuen Jahres anläßlich des heutigen Empfanges machen wollen: das sehr willkommene Geschenk Eurer Gegenwart und damit zugleich das Geschenk der ergebenen Glückwünsche, geschmückt – einer Blüte vergleichbar – mit dem Zeugnis der ererbten Treue zum Heiligen Stuhl, wofür die ehrfurchtsvollen und beredten Worte ein neuer Beweis sind, geliebte Söhne und Töchter, die Euer hoher Sprecher Uns soeben entboten hat, indem er Uns so die schon lang erwünschte Gelegenheit gab, Eurem erlauchten Kreis die große Wertschätzung zu bestätigen und Unsererseits noch zu steigern, deren dieser Apostolische Stuhl Euch stets für würdig erachtet und es auch nie unterlassen hat, dies vor aller Welt auszusprechen.

Britannicus_RomeIn solcher Wertschätzung ist die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte lebendig. Nicht wenige unter denen, die in diesem Augenblick Uns umgeben, tragen Namen, die seit Jahrhunderten innigst verflochten sind mit der Geschichte Roms und des Papsttums in heiteren und dunklen Tagen, in Freude und in Schmerz, im Ruhm und in der Verdemütigung, getragen von jener tiefen Gesinnung, die hervorbricht aus der Tiefe eines Glaubens, der mit dem Blut von den Vorfahren geerbt wurde, der alle Prüfungen und Stürme überdauert und selbst nach vorübergehenden Verirrungen bereit ist, wieder in den Weg zum Vaterhaus einzubiegen. Der Glanz und die Größe dieser Ewigen Stadt spiegelt sich und strahlt wider in den Fami­lien des Patriziats und des römischen Adels. Die Namen Eurer Ahnen stehen unauslöschbar einge­zeichnet in den Annalen einer Geschichte, deren Geschehen in vieler Hinsicht großen Anteil am Werden und Wachsen so vieler Völker der heutigen Kulturwelt gehabt hat. Obschon man ohne den Namen Roms und seiner Adelsgeschlechter selbst die Profangeschichte vieler Nationen, Königreiche und kaiserlicher Kronen nicht schreiben könnte, so kehren die Namen des Patriziats und des römischen Adels noch häufiger in der Geschichte der Kirche Christi wieder, die über allen irdischen und politischen Ruhm hinweg zur höchsten Größe aufsteigt in ihrem sichtbaren Haupt, das nach der gütigen Fügung der Vorsehung seinen Sitz an den Ufern des Tibers hat.

Von Eurer Treue zum römischen Pontifikat und der Stetigkeit, die als ruhmvolles Erbe Eurer Familien Euch auszeichnet, sehen Wir hier vor Uns mit Unseren Augen in dieser erlauchten Versammlung in der gleichzeitigen Gegenwart von drei Generationen geradezu ein lebendiges Abbild. In jenen unter Euch, die vom Weiß des Schnees oder des Silbers die Stirne umrahmt tragen, ehren Wir die vielen Verdienste, die Ihr durch lange Pflichterfüllung

Euch erworben habt und die Ihr als Siegestrophäen niederzulegen gekommen seid, um so dem allein wahren Herrn und Meister, dem Unsichtbaren und Ewigen zu huldigen. Doch die meisten von Euch stehen vor Uns unternehmungsfreudig in der Blüte der Jugend oder im Glanz des Mannesalters, mit jenem Vorrat an physischen und sittlichen Energien, die Euch fähig und bereit machen, Euer Können dem Fortschritt und der Verteidigung jeder guten Sache zu widmen. Unsere Vorliebe gilt jedoch und wendet sich zu der heiteren und lächelnden Unschuld der Kleinen, als Letzte in diese Welt gekommen, in denen Uns der Geist des Evangeliums die glücklichen Ersten im Gottesreich erkennen läßt; in ihnen schätzen Wir die arglose Unschuld, den lebhaften und reinen Glanz ihrer Blicke, engelgleicher Abglanz der Reinheit ihrer Seelen. Sie sind ohne Arg, dem Anschein nach wehrlos; aber unter dem Zauber ihrer Treuherzigkeit, die Gott nicht weniger gefällt als den Menschen, verbergen sie eine Waffe, die sie wie der junge David seine Schleuder schon gut zu handhaben wissen: die schmiegsame Waffe des Gebetes; auch bewahren sie im Köcher ihres noch schwachen, aber schon freien Willens einen wunderbaren Pfeil, das zukünftige und sichere Werkzeug für den Sieg: das Opfer.

Bei diesem Reichtum von verschiedenen Altersstufen, den Wir in Euch, den treuen Hütern ritterlicher Überlieferungen, mit Freuden feststellen, zweifeln Wir nicht, ja Wir sind dessen im voraus sicher, daß das treue Jahr ein gutes und christlich glückliches werden wird. Steht es auch unter dem undurchsichtigen Schleier, in den die Zukunft es einhüllt, so werdet Ihr es doch bereitwillig aus den Händen der Vorsehung entgegennehmen wie einen jener versiegelten Briefe, die einen Befehl zu tapferen und heiligen Lebenskämpfen übermitteln, den der Beamte, mit einem Auftrag besonderen Vertrauens bedacht, von seinen Vorgesetzten empfängt und erst unterwegs öffnen darf. Tag für Tag wird Euch Gott, der Euch dieses neue Jahr in seinem Dienst beginnen läßt, das Verborgene enthüllen; und Ihr wißt wohl, daß all das, was Euch diese noch geheimnisvolle Aufeinanderfolge von Stunden, Tagen und Monaten bringen wird, nur mit Willen oder Zulassung jenes himmlischen Vaters eintreten wird, dessen Vorsehung und Regierung der Welt sich in ihren Anordnungen nicht täuscht und fehlgeht. Dürfen Wir es Euch aber vorenthalten, daß das neue Jahr und die kommenden Zeitläufe, die es eröffnet, auch Gelegenheiten zu Kämpfen und Mühen und, Wir wollen hoffen, auch zu Verdiensten und Siegen bringen wird? Seht Ihr nicht, wie heute, weil das Liebesgebot des Evangeliums verkannt, geleugnet und gelästert wird, in einigen Teilen der Welt Kriege wüten – wovor die göttliche Barmherzigkeit bisher Italien bewahrt hat –, in deren Verlauf man ganze Städte in Berge von rauchenden Trümmern verwandelt sieht und Ebenen mit dem Reichtum reifender Ernten in eine Gräberstätte von zerfetzten Leichnamen? Allein auf verlassenen Wegen, im Dunkel nebelhafter Hoffnung irrt furchtsam der Friede; und in seinen Spuren und auf seinen Schritten machen sich in der alten und neuen Welt Menschen, die ihm Freund sind, auf die Suche nach ihm, darum besorgt und darauf bedacht, ihn mitten unter die Menschen zurückzuführen auf gerechten, zuverlässigen und dauerhaften Wegen und so in brüderlichem Bemühen um Verständigung die kühne Aufgabe des notwendigen Wiederaufbaus vorzubereiten.

Prinz_Georg_mit_Eltern_als_PriesterJS1An diesem Werk des Wiederaufbaus werdet Ihr, geliebte Söhne und Töchter, bedeutsamen Anteil haben können. Wenn es nämlich schon wahr ist, daß die moderne Gesellschaft gegen den Gedanken und selbst gegen den Namen eines privilegierten Standes angeht, so ist es nicht weniger wahr, daß auch sie, ähnlich wie die antike Gesellschaft, nicht von einem arbeitsamen und gerade dadurch an den leitenden Kreisen teilhabenden Stand wird absehen können. Es steht daher bei Euch, in aller Öffentlichkeit zu zeigen, daß Ihr seid und sein wollt eine einsatzwillige und wirkmächtige Gemeinschaft. Ihr habt es im übrigen gut verstanden und Eure Söhne werden es noch klarer sehen und begreifen: niemand kann sich mehr dem ursprünglichen und allgemeinen Gesetz der Arbeit entziehen, so verschieden und vielfach sie auch sein mag und unter welchen Formen des Geistes und der Hand sie auch erscheinen mag. Daher sind Wir sicher, daß Euer hochherziger Edelmut diese heilige Pflicht nicht weniger entschlossen, nicht weniger vornehm sich zu eigen machen wird als Eure großen Verpflichtungen als Christen und Edelleute, Nachfahren von Geschlechtern, deren Wirksamkeit so viele marmorne Wappen an Palästen der Ewigen Stadt und der Provinzen Italiens verherrlichen und an unsere Zeit weitergeben.

Hier handelt es sich indessen um ein Vorrecht, das weder die Zeit noch die Menschen Euch entreißen können, wenn Ihr selbst – dessen würdig – nicht damit einverstanden seid, es zu verlieren: das Privileg, die Besten zu sein, die Optimates“, nicht so sehr durch die Fülle an Reichtümern, die Pracht der Gewänder, den Prunk der Paläste, als vielmehr durch die Rein­heit der Sitten, durch die Rechtschaffenheit des religiösen und bürgerlichen Lebens; das Privi­leg, Patrizier, patricii“, zu sein durch die hohen Eigenschaften des Geistes und des Herzens; das Privileg schließlich, nobiles“ zu sein, d.h. Men­schen, deren Name wert ist, gewußt zu werden, und deren Leben als Beispiel und zur Aneiferung vor Augen gestellt wird.

Wenn Ihr so handelt und darin fortfahrt, dann wird durch Euch der ererbte Adel an Glanz gewinnen und fortleben; und aus den müden Händen der Greise wird in jene kraftvollen Hände der Jugend übergehen die Flamme der Tugend und der Wirksamkeit, das stille und ruhige Licht vergoldeter Sonnenuntergänge, das in neuen Morgenröten für jede neue Generation wiedererstrahlt, sobald großmütige und fruchtbare Bestrebungen anheben.

Das sind, geliebte Söhne und Töchter, die Wünsche, die Wir voll zuversichtlicher Hoffnung für Euch zu Gott erheben, während Wir als Unterpfand der erlesensten himmlischen Gnaden Euch allen und einem jeden von Euch, all Euren Lieben und allen Personen, die Ihr im Geiste und im Herzen tragt, Unseren väterlichen Apostolischen Segen erteilen.[1]

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[1] Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens – Soziale Summe Papst Pius XII. Herausgegeben von Arthur-Fridolin Utz OP, Professor der Ethik und Sozialphilosophie an der Universität Freiburg (Schweiz) und Joseph-Fulko Groner OP, Professor der Moraltheologie an der Universität Freiburg (Schweiz) – Nihil obstat: Friburgi Helv., die 5. Maii 1954, G. Meersseman OP, Wyser OP. Imprimatur: Friburgi Helv., die 5. Maii 1954, N. Luyten O.P., Friburgi Helv., die 29. Junii 1954, R. Pittet, v.g. Paulusverlag, Freiburg in der Schweiz, 1954, S. 1609-1613. Ansprache an das Patriziat und an den Adel Roms, 8. Januar 1940. Original: italienisch.

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Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Pius’ XII. an das Patriziat und an den Adel von Rom von Plinio Corrêa de Oliveira

 

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