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Pius? XII ? Ansprache vom 5. Januar 1942

Die Glückwünsche, die Euer erlauchter Sprecher, geliebte Söhne und Töchter, mit erhabenen Worten Uns vorgetragen hat, wollen in Eurem Geist vor allen Dingen die kindliche Anhänglichkeit an den Apostolischen Stuhl zum Ausdruck bringen, die Euren Glauben beseelt und der schönste Ruhm des römischen Patriziats und Adels ist. Wir danken Euch hochherzig und lebhaft dafür. Und Unsere Gegenliebe überschüttet Euch verdientermaßen mit Unseren Glückwünschen für Euch und Eure Familien und bezeugt Euch dadurch nochmals Unsere dankbare und außerordentliche Gewogenheit angesichts der so lebendigen Bekundung Eurer althergebrachten Treue zum Stellvertreter Christi.

Kaiser Charlemagne und Alcuin

Kaiser Charlemagne und Alcuin

Wenn dieses kindliche und väterliche Zusammentreffen im Haus des gemeinsamen Vaters auch nicht erstmalig ist, so kann die Macht der Gewohnheit ihm doch nicht seine Köstlichkeit und Anmut nehmen, wie ja auch die Wiederkehr der Weihnachtstage deren religiöse Freude nicht schwächt, noch das Heraufsteigen des Neuen Jahres den Horizont der Hoffnungen verdunkelt. Gleicht das immer wieder neue Aufleben der Freude etwa nicht dem immer wiederkehrenden Neubeginn des Tages, des Jahres und des Wachstums in der Natur? Auch der Geist hat sein Neuwerden und seine Wiedergeburt. Wir werden wiedergeboren, wir leben von neuem auf, wenn wir die Geheimnisse unseres Glaubens feiern. Und in der Grotte von Bethlehem beten wir von neuem das Jesuskind an, unseren Erlöser, das Licht und die Sonne der Weit, wie auf unseren Altären das immerwährende Golgotha des aus Liebe zu uns gekreuzigten und sterbenden Gottmenschen erneuert wird.

Ihr laßt Eure Vorfahren neu aufleben, indem Ihr sie ins Gedächtnis zurückruft. Und Eure Ahnen leben wieder auf in Euren Namen und in den Euch hinterlassenen Titeln, den Zeugen ihrer Verdienste und Großtaten. „Patriziat“ und „Adel“, sind dies etwa nicht zwei Worte, ruhmbeladen und bedeutungsvoll: „Patriziat’ und „Adel“ dieses Roms, dessen Name die Jahrhunderte überdauert und in der Welt strahlt als das Siegel des Glaubens und der Wahrheit, die vom Himmel herabgestiegen, um den Menschen zum Himmel zu erheben?

Menschlich betrachtet, weckt der Name „Römisches Patriziat“ in Uns die Erinnerung an die gentes des Altertums, deren erste Anfänge sich im Nebel der Sage verlieren, die jedoch im hellen Licht der Geschichte als Erkenntnis- und Willenskräfte zutage treten, denen die Macht und Größe Roms in den glorreichen Zeiten der Republik und des Kaiserreichs wesentlich zu verdanken ist, als die Cäsaren in ihren Befehlen noch nicht Willkür an Stelle der Vernunft setzten. Die ältesten Römer waren gewiß ungebildete Menschen, aber durchdrungen vom Verantwortungsbewußtsein für das Los der Urbs, ihre eigenen Interessen mit denen der res publica in eins setzend, ihre weitgesteckten und kühnen Ziele verfolgend mit einer Beständigkeit und Ausdauer, Weisheit und Tatkraft, die sich unentwegt treu blieben. Sie erwecken auch heute noch die Bewunderung eines jeden, der sich die Geschichte jener fernen Zeiten wieder vor Augen führt. Es waren die patres und ihre Nachkommen – „Patres certe ab honore, patriciique progenies eorum appellati“ [Livius I, 8, n. 7: „Patres werden sie gewiß der Ehre wegen genannt, patricii ihre Nachkommenschaft“] die mit dem Patriziat des Blutes den Adel der Weisheit, der Tapferkeit und der bürgerlichen Tugend so zu verbinden wußten, daß sie den Plan faßten und auch verwirklichten, eine Welt zu erobern, die Gott gegen ihren Willen eines Tages nach seinem ewigen Ratschluß in ein vorbereitetes und ausgedehntes Feld heiliger Kämpfe und Siege für die Helden seiner Frohbotschaft verwandelte, während er aus der Urbs das Rom der christusgläubigen Heidenvölker machte und auf den stummen Denkmälern der heidnischen pontifices maximi den Pontifikat, das ewige Hohepriestertum und Lehramt Petri, errichtete.

Kampf von Lepanto, von Andrea Vicentino.

Kampf von Lepanto, Gemälde von Andrea Vicentino.

Daher kommt es, daß die Bezeichnung „Römisches Patriziat“, christlich, übernatürlich betrachtet, in Unserem Geist noch erhabenere geschichtliche Erinnerungen und Bilder weckt. Wenn der Name patricius im heidnischen Rom erkennen ließ, daß jemand Ahnen besaß und nicht einer Sippe gewöhnlicher Art, sondern einer bevorrechtigten und herrschenden Gesellschaftsschicht angehörte, so nimmt er im christlichen Licht einen noch helleren Glanz und einen noch volleren Klang an, indem zur berühmten Abstammung die gesellschaftliche Machtstellung hinzutritt. Der Name patricius bezeichnet ein Patriziat des christlichen Roms, dessen höchster und ältester Glanz nicht etwa im Blut begründet war, sondern in der Würde, Beschützer Roms und der Kirche zu sein. Patricius Romanorum ist ein Titel, der seit der Zeit der Exarchen von Ravenna bis zu Karl dem Großen und Heinrich III. getragen wurde. Jahrhunderte hindurch hatten die Päpste bewaffnete Beschützer der Kirche, die aus den Familien des Römischen Patriziats stammten. Und Lepanto bezeichnete und verewigte einen ihrer großen Namen in den Annalen der Geschichte. Heute, geliebte Söhne und Töchter, sind das Römische Patriziat und der Römische Adel berufen, die Ehre der Kirche zu schützen und zu verteidigen mit der Waffe einer strahlenden sittlichen, sozialen und religiösen Tugendhaftigkeit, die mitten unter dem römischen Volk und vor der Welt ihr Licht leuchten läßt.

Die sozialen Ungleichheiten, auch die mit der Geburt verbundenen, sind nicht zu vermeiden. Die Güte der Natur und Gottes Segen für die Menschheit leuchten über den Wiegen, beschützen und liebkosen sie, machen sie aber nicht gleich. Betrachtet die Gesellschaft in den Ländern, wo sie am unerbittlichsten eingeebnet worden ist! Kein Mittel konnte erreichen, daß der Sohn eines großen Herrschers, eines großen Volksführers durchweg auf derselben Ebene wie ein unbekannter, im Volk verlorener Bürger geblieben ist. Diese unvermeidbaren Ungleichheiten können – vom heidnischen Standpunkt aus gesehen – als eine unerbittliche Folge des Klassenkampfes erscheinen, als eine Folge der von den einen über die anderen errungenen Macht, als eine Folge der blinden Gesetze, die angeblich das menschliche Treiben bestimmen und den Triumph der einen wie auch die Not der anderen herbeiführen. Ein christlich unterrichteter und erzogener Geist dagegen kann sie nur als gottgewollte Anordnung betrachten, die auf denselben Ratschluß zurückgeht, der den Ungleichheiten im Rahmen der Familie zugrunde liegt, die deshalb dazu bestimmt sind, die Menschen auf dem Weg des gegenwärtigen Lebens zum himmlischen Vaterland stärker miteinander zu vereinen, indem einer dem andern hilft, wie der Vater der Mutter und den Kindern hilft.

Gemälde von João Zeferino da Costa

Gemälde von João Zeferino da Costa

Daß diese, wenn auch väterlich aufgefaßte gesellschaftliche Überlegenheit infolge der aufeinanderprallenden menschlichen Leidenschaften die Geister bisweilen auf Irrwege in den Beziehungen zwischen Hoch und Nieder gedrängt hat, ist in der Geschichte der gefallenen Menschheit nicht erstaunlich. Solche Entgleisungen können die grundlegende Wahrheit nicht abschwächen oder verdunkeln, daß für den Christen die sozialen Ungleichheiten in der großen menschlichen Familie begründet sind, daß also die Beziehungen zwischen den Klassen und Ständen von einer ehrlichen und gleichen Gerechtigkeit bestimmt und zu gleicher Zeit von gegenseitiger Achtung und Liebe beseelt bleiben müssen, die – ohne die Ungleichheiten gewaltsam aus der Welt zu schaffen – ihren Abstand verringern und ihre Gegensätze mildern sollen. Sehen Wir etwa in den wahrhaft christlichen Familien die größten unter den Patriziern und Patrizierinnen nicht wachsam und eifrig darauf bedacht, ihrer Dienerschaft und ihrer ganzen Umgebung gegenüber eine Haltung zu bewahren, die zweifellos ihrem Stande entspricht, aber von jeder Überheblichkeit frei ist und jenes Wohlwollen und jene Höflichkeit in Wort und Benehmen anstrebt, die den Herzensadel unter Beweis stellen? Erblicken sie in den anderen nicht Menschen, Brüder Christi und Christen wie sie selbst, die mit ihnen in Christus durch die Bande der Liebe vereinigt sind, jener Liebe, die auch in den ererbten Palästen bei Hoch und Nieder, am meisten in den hienieden nie fehlenden Stunden der Trübsal und des Schmerzes, das Leben tröstet, erleichtert, erfreut und versüßt?

Ihr, geliebte Söhne und Töchter, das Römische Patriziat und der Römische Adel, Ihr in diesem Rom, dem Mittelpunkt der Christenheit, in der Mutter- und Hauptkirche aller Kirchen der katholischen Welt, versammelt um jenen, den Christus zu seinem Stellvertreter und zum gemeinsamen Vater aller Gläubigen gesetzt hat – Ihr seid von Gottes Vorsehung auf eine hohe Warte gestellt, damit Eure Würde vor der Welt erstrahle in der Ergebenheit zum Stuhl Petri als Vorbild bürgerlicher Tugend und christlicher Vollkommenheit. Wenn jeder gesellschaftliche Vorrang Aufgaben und Pflichten mit sich bringt, so verlangt die durch Gottes Hand Euch zuteil gewordene Sonderstellung gerade in der augenblicklichen schweren und sturmerfüllten Stunde – einer Stunde, die von den Entzweiungen und schrecklichen Kämpfen der Menschheit verdüstert wird, einer Stunde, die zum Gebet und zur Buße ruft, die in allen die Lebensweise umgestalten und verbessern, dem Gesetz Gottes gleichförmiger machen möge, wie es ohne jeden Zweifel die gegenwärtige Not und die Ungewißheit, welche Gefahren bevorstehen, uns dringend nahelegen – (Eure Sonderstellung) verlangt, möchten Wir sagen, von Euch ein vollendetes christliches Leben, ein tadelloses und strenges Benehmen, höchste Treue gegenüber all Euren Familienpflichten und all Euren privaten und öffentlichen Obliegenheiten – Tugenden, die nie verblassen, sondern klar und lebendig vor den Augen jener leuchten, die Euch sehen und beobachten, denen Ihr durch Euer Handeln und Euren Wandel nicht nur den Weg zum Voranschreiten im Guten weisen, sondern auch zeigen müßt, daß die schönste Zier des Römischen Patriziats und Adels die überragende Tugend ist.

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Während Wir nun das demütige und arme Jesuskind, den Sproß aus königlichem Stamm, den menschgewordenen König der Engel und der Menschen, bitten, daß er Euch bei der Erfüllung der Euch übertragenen Sendung lenke und leite, Euch mit seiner Gnade erleuchte und stärke, erteilen Wir Euch aus innerstem Herzen, geliebte Söhne und Töchter, Unseren väterlichen Apostolischen Segen, den Wir mit der Absicht geben, daß er sich auch auf alle Eure Lieben ausbreite und dauernd niederlasse, besonders auf jene, die nicht unter Euch weilen, die zur Erfüllung ihrer Pflichten in Gefahren schweben, denen sie mit einem dem Adel ihres Blutes gleichkommenden Mut entgegengehen, die vielleicht verwundet, vermißt oder gefangen sind. Dieser Segen steige herab und sei für Euch Balsam, Trost, Schutz und Unterpfand der erlesensten und reichsten Gnaden und himmlischer Hilfe, für die gequälte und erschütterte Welt aber Hoffnung auf Ruhe und Frieden.[1]

[1] Utz-Groner, S. 1614-1619.

Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Pius’ XII. an das Patriziat und an den Adel von Rom von Plinio Corrêa de Oliveira

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