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7. Die Schwierigkeiten bei der Bildung des Staates

„Zwei Dinge begreift man leicht:

 

Erstens, daß diese Religion, die jeder Stadt eigen war, den Bau des Gemeinwesens sehr stark, ja fast unerschütter­lich gründen mußte; es ist in der Tat merkwürdig, wie lange diese soziale Organisation trotz ihrer Fehler und trotz der Gefahren, die sie barg, gedau­ert hat.

 

Zweitens, daß diese Religion durch lange Jahrhunderte das Aufkommen einer anderen sozia­len Form als die der Stadtgemeinde verhindern mußte.

Gemälde von Hubert Robert

Jede Stadtgemeinde mußte vollständig unab­hängig sein; die Religion selbst erforderte dies. Jede mußte ihr eigenes Gesetzbuch haben, weil jede ihre Religion hatte und weil das Gesetz eben von der Religion herrührte. Jede mußte ihre leiten­de Justiz haben und die Justiz der Stadt war von jeder andern unabhängig. Jede hatte ihre religiö­sen Feste und ihren Kalender; in zwei Städten konnten die Monate und das Jahr nicht dieselben sein, weil die Reihenfolge der religiösen Handlun­gen eine verschiedene war. Jede hatte ihr besonde­res Geld, das zu Anfang gewöhnlich mit religiösen Sinnbildern bezeichnet war. Jede hatte ihr Maß und ihre Gewichte. Man erlaubte nicht, daß zwischen zwei Städten etwas gemeinsam war. …

 

Griechenland war es niemals gelungen, einen einzigen Staat zu bilden; weder die römischen noch die etruskischen Städte, noch die samnitischen Tribus haben jemals eine geschlossene Vereini­gung bilden können. Man hat das unheilbare Zer­teilungsbedürfnis der Griechen der Natur ihres Landes zugeschrieben, und man sagte, daß die Gebirge, die sich dort kreuzten, zwischen den Men­schen natürliche Grenzlinien festsetzten. Aber zwi­schen Theben und Platäa, zwischen Argos und Sparta, zwischen Sybaris und Croton gab es keine Gebirge. Es gab auch keine zwischen den Städten Latiums noch zwischen den zwölf Städten Etru­riens. Die physische Natur hat ohne Zweifel irgend einen Einfluß auf die Geschichte der Völker, aber die Glaubenslehren des Menschen haben einen weit mächtigeren. Zwischen zwei nachbarlichen Städten gab es etwas Unüberschreitbareres als ein Gebirge: Es waren dies die Reihe der heiligen Grenzsteine, die Verschiedenheit der Kulte, die Schranke, die jede Stadt zwischen dem Fremden und ihren Göttern aufstellte. …

Louvre G 149: Schale: Jüngling mit Phiale am Altar

Aus diesem Grunde konnten die Alten eine andere soziale Organisation wie die einer Stadtge­meinde nicht einführen, ja selbst nicht einmal be­greifen. Weder die Griechen noch die Italer, noch die Römer selbst konnten es lange Zeit begreifen, daß mehrere Städte sich vereinigen und unter der­selben Herrschaft leben konnten. Zwischen zwei Städten konnte es wohl ein Bündnis geben, eine augenblickliche Vereinigung, wenn es galt, einen Gewinn zu ziehen oder eine Gefahr zurückzuwei­sen, aber niemals entstand eine vollständige Eini­gung. Denn die Religion machte aus jeder Stadt eine eigene Körperschaft, die sich keiner anderen anschließen und anpassen konnte. Die Absonde­rung galt als Gesetz, das die Stadt aufstellte.

Der Zeus Streitwagen

Wie hätten sich auch mehrere Städte mit diesen religiösen Glaubenslehren und Bräuchen, die wir kennen gelernt haben, zu einem Staate vereini­gen können? Ein Gesellschaftsgebilde sah man dann erst als ein regelrechtes an, wenn es auf religiöser Grundlage ruhte. Das Sinnbild dieser Vereinigung mußte ein gemeinsam abgehaltenes, heiliges Mahl sein. Einige tausend Bürger konnten sich wohl, wie es der Gebrauch war, um ein und dasselbe Prytaneion versammeln, dassel­be Gebet sagen, die heiligen Speisen untereinan­der teilen. Aber man versuche es, mit diesen Gebräuchen aus ganz Griechenland einen einzigen Staat zu bilden! …

Die Sezession des Volkes an den Mons Sacer, von B.Barloccini, 1849

Zwei Städte zu einem einzigen Staate, die be­siegte Bevölkerung mit der siegreichen unter der­selben Herrschaft vereinigt, das sieht man niemals bei den Alten, mit einer einzigen Ausnahme …

Diese unbeschränkte Unabhängigkeit der alten Stadt konnte erst aufhören, als die Glaubenslehren, auf denen sie gegründet war, vollständig ver­schwunden waren. Erst nachdem sich die An­schauungen geändert hatten und mehrere Revo­lutionen durch diese antiken Gesellschaften ge­gangen waren, konnte man dazu gelangen, einen von anderen Gebräuchen beherrschten größeren Staat zu begreifen und zu bilden. Aber dazu mußten die Menschen andere Grundsätze und ein anderes soziales Band als das der alten Zeiten erfinden“.1

 

1 Idem, S. 242-247.

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Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Pius’ XII. an das Patriziat und an den Adel von Rom von Plinio Corrêa de Oliveira, Dokumente VII, No. 7.

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