„In den schwierigen Problemen, die die Geschichte oftmals bietet, ist es ratsam, den Wortschatz der Sprache, um alle Auskünfte, die er uns geben kann, zu befragen. Eine Institution ist manchmal durch das Wort erklärt, das sie bezeichnet. Das Wort gens ist genau dasselbe, wie das Wort genus, so zwar, daß man eines für das andere nehmen und ohne Unterschied gens Fabia und genus Fabium sagen konnte. Beide entsprechen dem Verbum gignere und dem Substantiv genitor, ebenso wie genos dem gennäs und dem goneus entspricht. All diese Worte tragen den Begriff der Abstammung in sich. … Man vergleiche all diese Worte mit denen, die wir die Gewohnheit haben, mit Familie zu übersetzen, das lateinische familia, das griechische oikos. Weder das eine noch das andere enthält in sich den Sinn der Abstammung oder der Verwandtschaft. Die wahre Bedeutung von familia ist Eigentum; es bezeichnet das Feld, das Haus, das Geld, die Sklaven und deshalb sagen die Zwölftafelgesetze, indem sie vom Erben sprechen, familiam mancitor, er soll die Nachfolgeschaft antreten. Was oikos betrifft, so ist es klar, daß dieses Wort nichts anderes bezeichnen will, als Eigentum oder Behausung. Und doch sind dies die Worte, die wir gewöhnlich mit Familie übersetzen. Kann man annehmen, daß Worte, deren wesentlicher Sinn der der Behausung oder des Eigentums ist, oftmals zur Bezeichnung einer Familie angewendet werden konnten, und daß andere Worte, deren innerer Sinn Abstammung Geburt, Vaterschaft bedeutet, niemals etwas anderes als eine künstliche Vereinigung bezeichneten? Sicherlich wäre das nicht übereinstimmend mit der Deutlichkeit und der Klarheit der alten Sprachen. Es ist unzweifelhaft, daß die Griechen und die Römer mit den Worten gens und genos die Vorstellung einer gemeinschaftlichen Abstammung verbanden. … Die gens wird uns allseitig als eine Vereinigung dargestellt, die durch die Bande der Geburt geschaffen ward. …
Aus alledem erhellt, daß die gens keine Vereinigung von Familien, sondern die Familie selber war. Ob sie nun nur aus einer einzigen Linie bestand, oder zahlreiche Zweige zählte, immer war es nur eine Familie.
Es ist überdies leicht, sich von der Bildung der antiken gens und ihrer Natur ein Bild zu machen, wenn man sich die alten Glaubenslehren und die alten Einrichtungen vergegenwärtigt, die wir früher erwähnt haben. Man wird sogar erkennen, daß die gens auf ganz natürlichem Wege der häuslichen Religion und dem Privatrechte der alten Zeiten entspringt. … Als wir die Autorität der alten Familien behandelten, haben wir gesehen, daß die Söhne sich vom Vater nicht trennten; indem wir die Gebräuche, die in der Übertragung des väterlichen Erbteiles herrschten, studierten, haben wir konstatiert, daß die jüngeren Brüder sich dank dem Prinzipe des gemeinschaftlichen Besitzes von dem älteren Bruder nicht trennten. Herd, Grab, väterliches Erbteil, all dies war zu Anfang unteilbar, und folglich auch die Familie. Die Zeit vermochte sie nicht zu zerteilen. Diese unteilbare Familie, die sich durch alle Zeiten hindurch entwickelte, ihren Kultus und ihren Namen von Jahrhundert zu Jahrhundert erhaltend, das war in Wirklichkeit die antike gens. Die gens war die Familie, aber die Familie, die sich die Einheit, die die Religion ihr befahl, erhalten und sich so weit entwickelt hat, als es das alte Privatrecht zuließ.
Nehmen wir das als wahr an, so wird alles klar, was die alten Schriftsteller uns von der gens erzählen. Die enge Verbindlichkeit, die wir eben zwischen ihren Gliedern bemerkten, hat nichts Überraschendes mehr: Sie sind durch die Geburt verwandt“.1
1 Ebenda, S. 118, 119, 121 und 122.
Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Pius’ XII. an das Patriziat und an den Adel von Rom von Plinio Corrêa de Oliveira, Dokumente VII, No. 2.