„Das Studium der alten Verordnungen des Privatrechtes ließ uns über die Zeiten hinweg, die man die historischen nennt, eine Reihe von Jahrhunderten dunkel erkennen, während denen die Familie die einzige Gesellschaftsform war. Diese Familie konnte durch Jahrhunderte hindurch dann in ihrem großen Rahmen Tausende von menschlichen Wesen in sich schließen. Aber in diesen Grenzen war die menschliche Gesellschaft noch zu eng beschränkt: zu eng für die materiellen Bedürfnisse, denn schwer konnte sich die Familie in allen Lebenslagen genügen: zu eng auch für die moralischen Bedürfnisse unserer Natur. …
Die religiöse Idee und die menschliche Gesellschaft waren also zugleich im Wachsen begriffen. Die häusliche Religion untersagte die enge Verbindung zweier Familien. Aber es war möglich, daß mehrere Familien, ohne irgend etwas von ihrer eigenen Religion preiszugeben, sich zumindest zur Feier eines anderen Kultes, der beiden gemeinsam war, einigten. Das geschalt auch. Eine gewisse Anzahl von Familien bildete eine Gruppe, die in der griechischen Sprache Phratrie, in der lateinischen Kurie hieß. Waren es Bande der Geburt, die in den Familien derselben Gruppe bestanden? Es ist unmöglich, dies zu bestätigen. Sicher aber ist, daß sich solch eine neue Vereinigung nicht ohne Erweiterung der religiösen Idee vollzog. In dem Augenblick, wo sich diese Familien vereinigten, anerkannten sie eine Gottheit, die über ihren häuslichen Gottheiten stand, die allen gemeinsam war und die über die ganze Gruppe wachte. Sie errichteten ihr einen Altar, zündeten ein heiliges Feuer an und setzten einen Kult fest.
Es gab keine Kurie, keine Phratrie, die nicht einen Altar und ihren schützenden Gott gehabt hätte. Der religiöse Akt vollzog sich da in derselben Art wie der in der Familie. …
Jede Phratrie oder Kurie hatte ein Oberhaupt, Kurio oder Phratriarch, dessen hauptsächlichste Funktion im Vorsitz bei den Opfern bestand. Vielleicht sind seine Vorrechte zu Anfang ausgedehnter gewesen. Die Phratrie hatte ihre Versammlungen, ihre Beratungen und konnte Beschlüsse fassen. So wie in der Familie, gab es auch in der Phratrie einen Gott, einen Kult, ein Priestertum, eine Justiz, eine Verwaltung. Es war eine kleine Gesellschaft, die genau der Familie nachgebildet war.
Auf natürlichem Wege und auf dieselbe Weise wuchs diese Vereinigung. Mehrere Kurien oder Phratrien vereinigten sich und bildeten eine Tribus.
Dieser nette Kreis hatte wieder seine Religion; in jeder Tribus war ein Altar und eine schützende Gottheit. …
Die Tribus, sowie die Phratrie, hatte Versammlungen und faßte Beschlüsse, denen alle Mitglieder sich unterwerfen mußten. Sie hatte ein Tribunal und das Recht, ihre Mitglieder zu verurteilen. Sie hatte ein Oberhaupt, tribunus, phylobasileus“. 1
1 Op. cit., Buch III, S. 132, 133, 134, 136, 137.
Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Pius’ XII. an das Patriziat und an den Adel von Rom von Plinio Corrêa de Oliveira, Dokumente VII, No. 4.