Dies ist das Geheimnis der Gesellschaft „im Zeichen des Kreuzes.” Mit derselben Entschlossenheit nahm der mittelalterliche Mensch sein eigenes Leiden auf sich, und ganz besonders die schwersten und unerträglichsten Aspekte seiner Situation. Auf den mittelalterlichen Bildern und Glasmalereien ist das häufig zu sehen – jeder ist mit seinem Handwerk beschäftigt, jeder arbeitet fleißig, doch ohne Hast, Angst oder Trägheit. Jeder trägt sein Kreuz, diesen schwersten Teil unseres irdischen Lebens, freudig und ohne zu murren, denn sein Vorbild ist Christus, der für uns alle so unendlich viel mehr auf sich genommen hat.
„Auf diese Weise sind alle individuellen Leiden nur der Schatten des göttlichen Leidens, und alle Tugenden nur eine teilweise Verwirklichung des absoluten Guten,” wie Huizinga sagt.368 Das Ergebnis dieser mutigen und entschlossenen Annahme des Leidens war, dass jeder Mensch für sich selbst einen Weg suchen und finden konnte, Christus nachzuahmen, mit dem Ziel, die Vollkommenheit und Heiligung zu erreichen. Diese Perfektion kam dann in der Qualität seiner Arbeit, seiner Meisterwerke und seiner Monumente gut zum Ausdruck.
Wie weit sind solche Überlegungen von dem entfernt, was die Menschen von heute bewegt! Sie suchen flüchtiges und leichtes Glück, fliehen Schmerz und Not, verlieren sich in hysterischer Kurzweil und versuchen ständig, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. In ihrer Blindheit können sie Christus und seine göttliche Geradlinigkeit nicht mehr sehen und ihm auch nicht mehr auf dem schmerzvollen Weg des Kreuzes folgen.
Und doch war es diese Perspektive, die die Blütezeit des Mittelalters hervorbrachte. Der mittelalterliche Mensch hatte das Mittelalter nicht geplant; er bemühte sich nur, so zu sein wie Jesus Christus und aus der Umsetzung dieses Bestrebens ging das Mittelalter hervor und entfaltete sich zu voller Blüte.
Dies ist das Geheimnis des Mittelalters — und es ist auch unser Geheimnis. Hätten wir eine ähnlich lebendige und liebevolle Beziehung zu Jesus Christus, dann würden wir nach dem streben, wonach die Menschen des Mittelalters strebten und könnten das erreichen, was sie erreichten.
368 ebd., 206.
Rückkehr zur Ordnung: Von einer hektischen, getriebenen Wirtschaft zu einer organischen christlichen Gesellschaft — wo wir waren, wie wir in unsere heutige Lage gekommen sind — und wohin wir uns nun wenden sollten, von John Horvat II. Kapitel 50