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Ansprache Benedikts XV. an das Patriziat und an den r?mischen Adel vom 5. Januar 1920

Bei den jüngsten Festlichkeiten zur Geburt Jesu Christi erklang Unserem Glauben wieder einmal der himmlische Gesang der Engel zum Lobe Gottes und des Friedens. Seit diesem seligen Tag werden gleich einem harmonischen Konzert in Unserer Nähe immer wieder die Stimmen des Glückwun­sches und anhänglicher Liebe laut, mit denen sich Unsere geliebten Söhne in der Ferne und mehr noch die nächsten an die demütige Person dessen richten, in dem sie – so wie sie in ihm das Weiterle­ben der Sendung Christi anerkennen – sich auch die Fortsetzung der Verheißungen und Wohltaten Christi wünschen.

Wie man aber nach dem Vergnügen eines Kon­zertes mit besonderem Genuß die Stimme dessen zu schätzen weiß, der nun allein die Melodie des Chores wiederholt und weiterführt, so klingt auch nach den Glückwünschen, die Uns jetzt zur Weih­nachtszeit erfreuten, die stets angenehme und wohlbekannte Stimme des römischen Patriziats und Adels wieder an Unser Ohr, wie sie von Ihnen, Herr Fürst, mit der in den noblen Häusern Roms üblichen Wärme des Glaubens vorgetragen wird.

Sie haben die nun zu Ende gehenden wie auch die kommenden Jahre als traurig und schwer be­zeichnet; da Sie aber angesichts solcher Trauer mit vollem Recht den Trost und die Hilfe des Himmels über den kummervollen Lauf Unseres Pontifikats herabgefleht haben, danken Wir Ihnen, Herr Fürst. Ebenso danken wir auch allen Patriziern und Edlen Roms, die sich hier eingefunden haben, um sich Ihren Glückwünschen anzuschließen, oder die dies aus der Ferne tun, weil sie verhindert sind, sich persönlich an diesem Throne einzufinden, dem ihre Vorfahren stets treu geblieben sind, so wie ihm auch die Mitglieder ihrer Geschlechter noch heute die Treue halten.

Britischer Pfarrer in der Royal Navy im Zweiten Weltkrieg.

Ebenso bedanken Wir uns für die Worte, mit denen Sie sich an Uns als Hohen Priester gewandt haben, als Sie einen Blick zurück auf die harte, bekämpfte und nicht anerkannte Arbeit der katho­lischen Kirche während der schrecklichsten menschlichen Katastrophe warfen. Es ist Uns eine Freude, festzustellen, daß Sie, während sich Ihr Akt der Ergebenheit dem Oberhaupt der katholischen Priesterschaft zuwandte, gleichwohl Ihr Lob als Ausdruck kollektiven Denkens Ihrer noblen Klasse auf so herrliche und angebrachte Weise an die unmittelbarsten und treuen Sprachrohre unseres Fühlens in der Menge gerichtet haben, nämlich an die Mitglieder des Klerus.

Der Klerus, geliebte Söhne, ist nicht eine Orga­nisation des Krieges sondern des Friedens; er kann sich nur friedlichen Unternehmungen widmen, nicht aber den Werken des Krieges. Dennoch eröff­net ihm sein Apostolat auch unter den schrecklichen Schlägen des Krieges viele Möglichkeiten, Gutes zu tun und sich Verdienste zu erwerben.

Deshalb konntet ihr ihn auf den Schlachtfeldern die Ängstlichen stärken, die Sterbenden trösten, die Verwundeten begleiten sehen. Ihr konntet ihn sehen, wie er in den Spitälern noch den letzten Seufzer aufnahm, die Seelen von ihren Makeln reinigte, in der Bedrängnis des Schmerzes Mut zusprach, während der langen, gefährlichen Gene­sung ermunterte, das Pflichtbewußtsein wieder aufrichtete, vor törichten, dem Unglück zuzu­schreibenden Fehlern bewahrte. Ihr konntet ihn in den leeren Häusern der Armen sehen, in den ver­lassenen Dörfern, unter dem entmutigten Volk, in­mitten flüchtender Menschenmengen und dabei oft allein und ohne Aufhebens den Mut der Notlei­dendsten, das Schicksal der Witwen, die Zukunft der Krankenhäuser, den Widerstand der Massen stützend. Ihr habt auch gesehen, wie er verfolgt, verleumdet, vertrieben, eingekerkert wurde, wie er in Armut und Tod als ein unbekannter Held in dem großen Drama dastand, ein geduldiger Herold der Pflicht auf beiden Seiten der gegnerischen Partei­en, ein Muster des Verzichts, Opfer des Hasses, Zielscheibe des Neides, Bild des Guten Hirten.

So habt ihr ihn sehen können, geliebte Söhne! …

Während ihr aber mit dem würdigen Vertreter des römischen Patriziats anerkannt habt, daß ,,der Priester sich, ohne Opfer zu scheuen, ganz dem Wohl des Nächsten hingab, erkennen auch Wir das Vorhandensein eines weiteren Priestertums an, das dem Priestertum der Kirche ähnlich ist, nämlich das des Adels. Neben dem „regale Sacer­dotium“ Christi habt auch ihr, Adelige, euch als „genus electum“ aus der Gesellschaft hervorgeho­ben; und euer Wirken war es, das mehr als jedes andere dem Wirken des Klerus ähnlich war und mit ihm wetteiferte. Während der Priester mit seinem Wort, seinem Beispiel, seinem Mut und mit den Verheißungen Christi Beistand, Stütze und Trost spendete, erfüllte auch der Adel auf dem Kriegs­schauplatz, im Sanitätsdienst, in den Städten, auf dem Land seine Pflicht; und während sie kämpften, halfen, beitrugen und starben hielten Alte und Junge, Männer und Frauen den Glauben an die ruhmreichen Traditionen ihrer Vorfahren und an die Pflichten ihres Standes hoch.

Wenn wir also Genugtuung über das Lob verspüren, das den Priestern der Kirche für ihr Wirken in dieser leidvollen Kriegszeit ausgespro­chen wird, ist es nicht mehr als recht, daß auch Wir das Priestertum des Adels lobend hervorheben. Das eine wie das andere Priestertum sind Vertreter des Papstes, weil sie beide in überaus trauriger Stunde Seinen Gefühlen treuen Ausdruck verliehen haben. Während Wir uns also dem Lob anschließen, welches das römische Patriziat heute den Priestern der Kirche spendet, sprechen Wir auch dem Eifer und der Nächstenliebe unser Lob aus, welche die vornehm­sten Mitglieder des römischen Patriziats und Adels während derselben Kriegszeit an den Tag gelegt haben.

Wir wollen Unsere Wertschätzung noch vergrö­ßern, geliebteste Söhne. Die weltweite Auseinan­dersetzung scheint endlich in den letzten Zuckun­gen zu liegen; deshalb widmet sich der Klerus jetzt den Friedenswerken, die ja seiner Sendung in dieser Welt viel mehr entgegenkommen. Doch das Werk erleuchteten Eifers und wirkungsvoller Nächstenliebe, das die Adeligen während der Kriegszeit weise ausgeführt haben, wird auch noch nach der Unterschrift eines Friedensprotokolls noch nicht zu Ende sein.

Und Wir müssen sagen, daß dieses auch in Friedenszeiten verdienstvoll fortgeführte Priester­tum des Adels von Uns mit ganz besonderem Wohlwollen beobachtet wird! Ja, der in unheilvol­ler Zeit an den Tag gelegte Eifer gibt Uns die Gewißheit, daß das Patriziat und der Adel Roms auch in freudigeren Stunden ihren Vorsätzen die Treue halten und die heiligen Unternehmungen weiterführen werden, aus denen sich das Priester­tum des Adels ernährt!

Prinz Sixtus Ferdinand Maria Ignazio Alfred Robert von Bourbon-Parma. Seine Schwester war die Kaiserin Zita von Österreich.

Der heilige Apostel Paulus ermahnte die Adeli­gen seiner Zeit, so zu sein oder zu werden, wie es ihr Stand erheischt. Obwohl er ihnen auch empfoh­len hatte, sich in Tun, Lehre, Sittenreinheit und Umsicht beispielhaft zu verhalten, ,,in omnibus te ipsum praebe exemplum bonorum operum in doc­trina, in integritate, in gravitate“ (Tit. 2,7) – ging es dem Heiligen Paulus noch einmal ganz beson­ders um die Adeligen, als er seinem Schüler Timo­theus schrieb, er solle die Reichen ermahnen di­vitibus huius saeculi praecipe, das Gute zu tun und reich an guten Werken zu werden bene agere, divites fieri in bonis operibus (1 Tim. 6,17).

Zu Recht kann man hier wohl behaupten, daß sich die Ermahnungen des Apostels in bewunde­rungswürdiger Weise den Adeligen unserer Tage ziemen. Auch ihr, geliebte Söhne, habt die Pflicht, den anderen mit dem Licht des guten Beispiels voranzugehen (,,in omnibus te ipsum praebe exem­plum bonorum operum).

Zu allen Zeiten oblag den Adeligen die Pflicht, die Unterweisung in Wahrheit (,,in doctrina) zu fördern. Heute aber, wo die Verwirrung des Geistes, Gefährtin der Völkerrevolution, an so vielen Orten und in so vielen Menschen das wahre Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und Liebe, von Religion und Vaterland in Vergessenheit geraten ließ, ist die Pflicht der Adeligen, dafür zu sorgen, daß diese heiligen Begriffe, die unser täg­liches Handeln leiten sollen, wieder geistiges Ge­meingut der Völker werden, noch größer gewor­den. Zu allen Zeiten war es die Pflicht des Adels, den Unschicklichkeiten in Wort und Tat zu wehren, damit die eigene Verwerflichkeit den Untergebe­nen nicht zum Anreiz diente (,,in integritate, in gravitate); doch selbst diese Pflicht ist infolge der schlechten Sitten unserer Zeit stärker und schwerer geworden! Nicht nur die Kavaliere, auch die Damen sind deshalb angehalten, sich zum heiligen Bündnis gegen die Exzesse und den Mangel an Zurückhaltung der Mode zu vereinen und alles von sich fernzuhalten, was den Gesetzen christlicher Bescheidenheit widerstrebt, und es auch an anderen nicht zu tolerieren.

Großherzogin Maria-Adelheid von Luxemburg

Und um schließlich das in die Tat umzusetzen, was der Heilige Paulus nach Unseren Worten vor allem den Adeligen seiner Zeit ans Herz gelegt hat – ,,Divitibus huius saecu1i praecipe … bene agere, divites fieri in bonis operibus– will es Uns genug erscheinen, wenn die Patrizier und Adeligen Roms in Friedenszeiten nur weiterhin jenen Geist der Nächstenliebe an den Tag legen, den sie in Kriegszeiten so eindeutig unter Beweis gestellt haben. Die Bedürfnisse der jeweiligen Stunde und die besonderen Umstände des jeweiligen Ortes, wo es zu handeln gilt, können die vielfältigen Formen der Nächstenliebe bestimmen; wenn ihr, geliebte Söhne, jedoch nicht vergeßt, daß die Nächstenlie­be auch dem Feinde von gestern geschuldet wird, wenn er heute im Elend liegt, dann zeigt ihr, daß ihr euch das ,,bene agere“ des Hl. Paulus zu eigen gemacht habt, und ihr werdet einen Anspruch auf jene von demselben Apostel gewünschten Reichtümer haben (,,divites fieri in bonis operibus) und ihr werdet weiterhin zur Anerkennung der Größe dessen beitragen, was Wir das „Priestertum des Adels“ genannt haben.

Wie süß, wie lieblich ist es, die bewundernswer­ten Ergebnisse dieser so gern vorhergesagten Fort­führung zu betrachten! Dann aber wird euer Adel nicht mehr nur als ein nutzloses Überbleibsel ver­gangener Zeiten anzusehen sein, sondern als zur Wiedererstehung der verkommenen Gesellschaft aufbewahrter Sauerteig; er wird Leuchtturm, schützendes Salz und Führer der Irrenden sein; nicht nur hier auf der Erde, wo alles – selbst der Glanz ruhmreicher Dynastien – welkt und un­tergeht, wird er Unsterblichkeit erlangen, sondern auch im Himmel, wo alles lebt und mit dem Urheber alles Edlen und Schönen vergött­licht wird.

Das Almosen von Arie Johannes Lamme

Der Apostel Paulus schließt seine Ermahnungen an die Adeligen seiner Zeit mit der Versicherung, daß ihnen wegen ihrer guten Werke die Tore des Himmelreiches geöffnet werden, wo sie dereinst das wahre Leben genießen werden, ,,ut apprehendant veram vitam. Und Wir Unsererseits bitten zum Dank für die guten Wünsche, die uns das Patriziat und der Adel Roms zu Beginn des neuen Jahres übermittelt haben, daß der Herr seinen Segen über die Mitglieder dieser erlauchten Klasse, die heute hier zugegen sind, aber auch über die fernen Mit­glieder und ihre Familien ausgieße, damit ein jeder mit dem seinem Stande eigenen Priestertum zur Erhebung, Reinigung und Befriedung der Welt bei­tragen und den anderen Gutes tun möge, um sich auf diese Weise den Zugang zum Reiche des ewigen Lebens zu sichern: ,,ut apprehendant veram vitam!.[1]

[1] L’Osservatore Romano, 5.-6. Januar 1920.

Der Adel und die vergleichbaren traditionellen Eliten in den Ansprachen Pius’ XII. an das Patriziat und an den Adel von Rom von Plinio Corrêa de Oliveira

 

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