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Ansprache vom 14. Januar 1952

Treu Eurer althergebrachten Überlieferung seid Ihr, geliebte Söhne und Töchter, auch dieses Jahr gekommen, um dem sichtbaren Haupt der Kirche Eure Verehrung zu bezeugen und Eure guten Wünsche zum neuen Jahre darzubringen. Wir nehmen sie mit lebhafter und tiefempfundener Dankbarkeit entgegen und entbieten Euch dafür die innigsten Wünsche Unsererseits. Wir schließen sie ein in Unsere Gebete, damit das soeben begon­nene Jahr gezeichnet sei vom Siegel der göttlichen Güte und bereichert werde von den kostbarsten Gunsterweisen der Vorsehung. Wie gewöhnlich, möchten Wir diesen Wünschen gern einige prakti­sche geistliche Winke anfügen, die Wir kurz in einer dreifachen Ermahnung zusammenfassen:

Gemälde von Mihály Kovács

Richtet Euren Blick zunächst ohne Furcht und Zagen auf die Realität unserer Zeit. Es scheint Uns überflüssig, Euch nochmals ins Gedächtnis zu rufen, was bereits vor drei Jahren der Gegenstand Unserer Betrachtungen war. Es kommt Uns sinnlos vor und Euer auch nicht würdig, es Euch mit klugen Beschönigungen zu verschleiern, zumal nachdem die Worte Eures beredten Sprechers ein so eindeu­tiges Bekenntnis Eurer Anhänglichkeit an die So­ziallehre der Kirche zum Ausdruck gebracht haben und die Pflichten, die sich daraus ergeben. Die neue italienische Verfassung erkennt Euch als sozialem Stand im Staate und im Volk keinerlei besondern Auftrag mehr zu, kein Attribut mehr und kein Pri­vileg. Ein Blatt der Geschichte ist umgeschlagen, ein Kapitel ist abgeschlossen. Hinter eine soziale und wirtschaftliche Vergangenheit ist der Schluß­punkt gesetzt. Ein neues Kapitel mit ganz neuen Lebensformen hat begonnen. Man mag darüber denken, wie man will. Die Tatsache besteht. Es ist der „Schicksalsschritt“ [fatale andare] der Ge­schichte. Mancher wird eine so tiefe Umwälzung vielleicht schmerzlich empfinden. Doch was hilft es, die Bitterkeit lange auf der Zunge zu behalten. Schließlich müssen sich alle der Wirklichkeit beugen. Der Unterschied liegt nur in der „Art und Weise“. Die Mittelmäßigen machen im Unglück nur ein schmollendes Gesicht, die überlegenen Geister verstehen es, nach einem klassischen Wort, aber hier in einem etwas höheren Sinne, beaux joueurs [gute Verlierer] zu sein und unerschüt­tert ihre vornehme, heitere Haltung zu bewahren.

Die Bergpredigt von Carl Heinrich Bloch.

Erhebt und heftet den Blick auf das christliche Ideal. Alle Umwandlungen, Evolutionen oder Re­volutionen, lassen es unberührt. Sie vermögen nichts gegen das innerste Wesen wahren Adels, das Streben nach christlicher Vollkommenheit, wie sie der Erlöser in der Bergpredigt zeigte. Unbedingte Treue zur katholischen Lehre, zu Christus und seiner Kirche; Fähigkeit und Willigkeit, auch den anderen darin Beispiel und Führer zu sein. Ist es etwa nötig, Euch die praktischen Anwendungen dafür aufzuzählen? Schenkt der Welt, auch der Welt der Gläubigen und der praktizierenden Katho­liken, das Schauspiel eines untadeligen Ehelebens, die Erbauung einer wirklich beispielhaften Familie. Errichtet um Euer Heim und Euren Kreis einen Damm gegen das Einsickern verhängnisvoller Grundsätze, verderblicher Schwächen und Weichlichkeiten, welche die Reinheit des Ehe- und Familienlebens beflecken oder trüben könnten. Das ist gewiß ein hervorragendes und heiliges Werk, sehr geeignet, den Eifer des römischen und christlichen Adels in unserer Zeit zu entfachen.

Hochzeit von Erzherzog Karl von Österreich-Este und Prinzessin Zita von Bourbon-Parma.

Während Wir Eurem Geist diese Erwägungen vorlegen, denken Wir besonders an jene Länder, in denen die Katastrophe der Zerstörung besonders die Familien Eures Standes getroffen und aus Macht und Reichtum in die Verlassenheit und bis­weilen sogar in äußerstes Elend gestürzt hat. Doch zu gleicher Zeit hat sie den Adel und die Großzü­gigkeit geoffenbart und ans Lichtgebracht, mit der viele von ihnen auch im Unglück Gott die Treue hielten, die stille Seelengröße und Würde, mit der sie ihr Schicksal zu tragen wissen: Tugenden, die man nicht improvisieren kann, die vielmehr in der Stunde der Bewährung zur Blüte und Reife gelan­gen.

Endlich, leiht dem gemeinsamen Werk Eure hingebende und bereitwillige Mitarbeit. Groß genug ist noch das Feld, auf dem sich Eure Tätig­keit nutzbringend auswirken kann: in der Kirche und im Staat, im Bereich des parlamentarischen Lebens und der Verwaltung, in Kultur, Wissen­schaft und Kunst und in den verschiedenen Berufen. Nur eine Haltung ist Euch untersagt, sie würde dem ursprünglichen Geist Eures Standes von Grund auf zuwider sein: Wir meinen den Geist des „Ohne-mich“. Das wäre mehr als nur eine „Emigration“, es wäre Desertion. Was darum auch immer kommen und wie teuer es zu stehen kommen mag, vor allen Dingen tut es not, die geschlossene Einheit aller katholischen Kräfte gegen jede Gefahr selbst des kleinsten Sprungs zu bewahren.

Maria de Molina präsentiert ihren Sohn Fernando IV in Cortes von Valladolid von 1295.

Es kann wohl sein, daß der eine oder andere Punkt bei der gegenwärtigen Lage der Dinge Euch mißfällt. Aber aus Interesse und aus Liebe für das Gemeinwohl, für die Rettung der christlichen Kultur in der Krise, die weit entfernt ist von einer Entspannung, die vielmehr immer noch anzuwach­sen scheint, haltet stand in der Bresche, in der vordersten Verteidigungslinie. Eure besonderen Vorzüge können dort auch heute die beste Verwen­dung finden. Eure Namen, die den großen Klang der Tradition fernster Vergangenheit in der Ge­schichte der Kirche und der menschlichen Gesell­schaft tragen, rufen die Gestalten großer Männer ins Gedächtnis und wecken in Eurer Seele das Echo der Pflicht, ihrer würdig zu sein.

Das angestammte Gefühl für Beständigkeit und Kontinuität und das Festhalten an gesunder Tradi­tion sind Kennzeichen wirklichen Adels. Versteht Ihr es, mit ihnen eine große Weite des Blickes für die Wirklichkeit unserer Zeit zu verbinden, beson­ders für die soziale Gerechtigkeit, für eine loyale und offene Zusammenarbeit, dann werdet Ihr einen Beitrag von höchstem Wert für das öffentliche Leben leisten.

Die Schlacht bei Seneffe. Gemälde von Bénigne Gagneraux.

Dies sind, geliebte Söhne und Töchter, die Ge­danken, die Wir Euch zu Beginn dieses neuen Jahres nahe legen wollten. Flöße Euch der Herr den Vorsatz ein, sie zu verwirklichen, und würdige er sich, Euren guten Willen mit der Überfülle seiner Gnaden fruchtbar zu machen, als deren Unter­pfand Wir von ganzem Herzen Euch, Euren Fa­milien, Euren Kindern, Euren Kranken und Schwachen und allen, die Euch teuer sind, Nahen und Fernen, Unseren väterlichen Apostolischen Segen erteilen.[1]

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[1] Utz-Groner, S. 1647-1650.

 

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