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Revolution, Gegenrevolution und Diktatur

Die hier angestellten Überlegungen in bezug auf den Standpunkt der Revolution und des katholischen Denkens gegenüber den verschiedenen Regierungsformen werden bei manchem Leser zu der Frage führen, ob die Diktatur ein Element der Revolution oder der Gegenrevolution ist.

Um auf diese Frage, für die bereits so viele unklare, ja sogar tendenziöse Lösungen angeboten wurden, eine klare Antwort zu geben, ist es notwendig, zuerst einmal gewisse Elemente zu unterscheiden, die sich bei dem Begriff Diktatur, wie sie vom Publikum allgemein verstanden wird, in wildem Durcheinander überlagern. Dabei wird die Idee der Diktatur mit den konkreten Formen verwechselt, die sie in unserem Jahrhundert tatsächlich angenommen hat, das heißt, die öffentliche Meinung versteht darunter einen Zustand, in dem ein mit unbegrenzter Macht ausgestatteter Führer das Land regiert. Einige behaupten nun, daß dies dem entsprechenden Lande zum Vorteil gereiche, während andere behaupten, es sei zu seinem Nachteil. In beidem Fällen spricht man jedenfalls von einer Diktatur.

Nun enthält dieser Begriff aber zwei ganz unterschiedliche Elemente:

– die Allmacht des Staates;

– die Konzentration der Staatsmacht in den Händen einer einzigen Person.

Nun kann aber eine Carol II. von Hohenzollern-Sigmaringen, König von Rumänien, verhängen eine Königsdiktatur in 1938.

Nun kann aber eine Carol II. von Hohenzollern-Sigmaringen, König von Rumänien, verhängen eine Königsdiktatur in 1938.

Aus der Sicht der öffentlichen Meinung scheint das zweite Element mehr Aufmerksamkeit zu verdienen. Dabei ist das erstgenannte viel grundlegender, vorausgesetzt natürlich, wir verstehen unter Diktatur einen Zustand, in dem die öffentliche Gewalt infolge der Aufhebung jeglicher Rechtsordnung nach ihrem Gutdünken über alle Rechte verfügt. Nun kann aber eine Diktatur offensichtlich auch vom König ausgeübt werden (die Diktatur des Königs, das heißt, die Aufhebung jeglicher Rechtsordnung und damit die unumschränkte Ausübung der öffentlichen Gewalt durch den König darf keinesfalls mit dem Ancien Rdgime, das ja eine große Anzahl von Garantien bewahrte, und schon gar nicht mit der organischen Monarchie des Mittelalters verwechselt werden) oder von einem Volksführer, vom Erbadel, einer Bankiersfamilie oder sogar von der Masse selbst.

An sich ist die Diktatur eines Führers oder einer Gruppe von Personen weder revolutionär noch gegenrevolutionär; eine solche Bezeichnung wird erst dann sinnvoll, wenn man die Umstände berücksichtigt, aus der die Diktatur hervorgegangen ist, und die Ergebnisse, die sie zeitigt, egal, ob sie nun von einem einzelnen oder einer Gruppe von Leuten ausgeübt wird.

Der Herzog von Alba in den Niederlanden von Louis Gallait.

Der Herzog von Alba in den Niederlanden von Louis Gallait.

Es gibt Umstände, die zur salus populi die vorübergehende Aufhebung aller individuellen Rechte und die Ausübung einer weitergefaßten öffentlichen Gewalt verlangen. Insofern kann eine Diktatur in bestimmten Fällen also durchaus legitim sein.

Eine gegenrevolutionäre und damit ganz von dem Wunsch nach Ordnung geleitete Diktatur hat demnach drei wesentliche Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Sie darf das Recht nicht aufheben, um die Ordnung umzustürzen, sondern um sie zu schützen. Dabei verstehen wir unter Ordnung nicht nur eine materielle Ruhe, sondern, entsprechend der jeweiligen Wertskala, die Ausrichtung der Dinge auf ihr Ziel hin. Im Grunde handelt es sich nur um eine scheinbare Aufhebung des Rechts, denn die rechtmäßigen Garantien werden nur insoweit geopfert, als es den schädlichen Elementen untersagt wird, Ordnung und Gemeinwohl zu mißbrauchen; das Opfer zielt also lediglich auf den Schutz der wahren Rechte der Guten ab.
So muß jede Familie in die Lage versetzt werden, all das zu tun, was sie aus eigenem Vermögen zu leisten vermag.

So muß jede Familie in die Lage versetzt werden, all das zu tun, was sie aus eigenem Vermögen zu leisten vermag.

  • Diese Aufhebung der Rechte hat schon vom Begriffsinhalt her vorübergehend zu sein und muß dafür Sorge tragen, daß so schnell wie möglich die Voraussetzungen für eine Rückkehr zu Ordnung und Normalität geschaffen werden. Eine Diktatur macht sich in dem Maße überflüssig, in dem sie gut ist. Die Staatsgewalt kann nur zu dem Zweck in die verschiedenen Bereiche des öffentlichen Lebens eingreifen, daß diese so schnell wie möglich wieder ihre notwendige Selbständigkeit erlangen. So muß jede Familie in die Lage versetzt werden, all das zu tun, was sie aus eigenem Vermögen zu leisten vermag. Gesellschaftliche Organe, die über ihr stehen, haben sie nur in den Bereichen subsidiär zu ersetzen, wo sie sich überfordert sieht. Diese Organe ihrerseits dürfen vom Gemeinwesen nur dann Unterstützung erhalten, wenn sie sich nicht selbst helfen können; und dieses Prinzip pflanzt sich auf die Region als Ganzes und auf das Land fort.
  • Heute hat das wichtigste Ziel der legitimen Diktatur die Gegenrevolution zu sein. Damit soll natürlich nicht behauptet werden, daß die Diktatur normalerweise zur Überwindung der Revolution notwendig ist. Unter gewissen Umständen kann dies jedoch der Fall sein.
Fidel Castro und ehemalige brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.

Fidel Castro und ehemalige brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.

Es ist im Gegensatz dazu die revolutionäre Diktatur, die sich zu verewigen trachtet, authentische Rechte vergewaltigt und in alle gesellschaftlichen Bereiche vordringt, um sie durch die Zerstörung des familiären Lebens, die Hintansetzung der ursprünglichen Eliten, den Umsturz der gesellschaftlichen Hierarchie, die Verbreitung wirrer Utopien und Ansprüche im Volke, die Erstickung des tatsächlich bestehenden gesellschaftlichen Lebens und die Unterordnung aller Dinge unter den Staat – mit einem Wort, durch die Förderung der Revolution – zu vernichten. Das Hitlerregime war ein typisches Beispiel dieser Art von Diktatur.

Deshalb ist die revolutionäre Diktatur auch zutiefst antikatholisch, denn in einer wirklich katholischen Umgebung fehlen die Voraussetzungen für ihr Entstehen.

Adolf Hitler und Benito Mussolini, Venedig 1934.

Adolf Hitler und Benito Mussolini, Venedig 1934.

Das will jedoch nicht heißen, daß es die revolutionäre Diktatur nicht versucht hat, der Kirche in verschiedenen Ländern Vorteile zu verschaffen. Diese Haltung ist jedoch nichts als politische Strategie, denn sobald die kirchliche Obrigkeit das Vordringen der Revolution zu hindern beginnt, schlägt diese Stimmung in offene oder verschleierte Verfolgung um.

RCR

Plinio Corrêa de Oliveira, Revolution und Gegenrevolution, pp. 20-23.

 

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